Anderter Auftritt

[7] Christus. Petrus. Andräas. Jacobus. Joannes. Thomas. Jacobus. Philippus. Bartholomäus. Mathäus. Simon. Thadäus. Judas.


CHRISTUS.

Nun liebste Junger treye schaar!

Mach ich euch endlich offenbahr,

Was ihr zwahr von mir längst vernommen,

Doch bis in euer herz nicht kommen;

Ich hab euch öffters angedeudt.

Das einstens kommen werd die zeith

Wo gottes Sohn den Schrifftgelehrten

Vom volck wird übergeben werden,

Aus Juden landt der heyden rott,

Verurtheilt mich zu meinen todt.

Nachdem sie mich wird geislen, crönen,

Und auf das schmächlichist verhönen

Damit nun der Propheten schrifft,

An mir von worth zu worth zutrifft.

Dahero laßt uns nicht verweilen

Der statt Jerusalem zu eylen,

Auf das ich was mein Vatter will,

Da mich die zeith jezt ruft erfüll.

Alldort werdt ihr mich sehen sterben

Der weldt am Creuz das heyl erwerben.

Ihr werdt mich sehn in hohn und Spoth

Nachdem ich auch am Creuz schon todt.

Jedoch nach 3 verflossnen tägen

Werd ich euch abermahl zugegen

Von todten glorreich auferstehn,

Euch vor nach Galliläa gehn.

ANDREAS.

Wie meister kanst ein reis gedenken,

Die dich und uns so sehr thut kräncken!

Ach wende ab ein solches leyd

Und bleib villmehr in sicherheit.[7]

JACOBUS ¸.

Willst dich hiedurch nicht unser schonen,

Willst disen trost uns nicht vergonnen,

So schone wenigistens dir,

Diss Maister! dises bitten wür.

JOANNES.

Wie kanst du dan vernommner maßen

Dein dir so treue schaar verlassen

Dan ist der hirth der schaffen todt,

So leydt das Schäfflein gleiche noth.

JACOBUS M.

Du willst nun jener statt zugehen,

In der dir so vill leyd geschehen?

Ist dir dan diss Jerusalem,

So lieb, so werth, so angenehm?

THOMAS.

Erst neulich hat man dich verachtet,

Und zu versteinigen getrachtet,

Mein! das du dorth ent fhlohen bist,

Wan dir der todt nach willen ist?

PHILIPPUS.

Du sagst es sey die zeith vorhanden,

Die dir von oben zugestanden;

Du bist ja selbsten gottes Sohn,

Der dise sich verlängren kan?

MATHÄUS.

Sech, Meister! sech doch unsren schmerzen,

Wür bitten dich von ganzen herzen,

Du sichst den heißen thränen flus,

Ach! herr ach! endre deinen schlus.

BARTHOLOMÄUS.

Wür haben ja (was schwer zu fassen)

Aus liebe deiner alls verlassen,

So schenck dich uns zu unsrer freyd,

O herr! auch nur ein kleine zeith.

THADÄUS.

Du kanst so schnell nicht von uns fliehen,

Und uns zugleich dein lehr entziehen,

Du weist, wie wider deine feindt

Wür dessen noch bedürftig seindt.[8]

SIMON.

Wan alles auf uns pflegt zu stürmen,

Wer kan uns, wer, als du beschürmen?

Wan selbst der löw der höllen brillt,

Bist du uns ja ein sichrer schildt.

JUDAS.

Wan du o meister! gehst von hinnen,

Wird diser söckl baldt zerrinnen,

Nicht uns, dir hat mann alles geben,

Wür können ohne dich nicht leben.

CHRISTUS.

Was ich gesagt, bleibt schon beschlossen,

Zeigt euch zu disem ohnverdrossen,

Und sorgt indessen keine Noth,

Es schüzet euch der alte gott.

PETRUS.

O herr verzeihe meinem schweigen,

Ich wollte nur auf disen zeigen

Wie gros der schmerzen sey in mir,

Da ich nun scheiden soll von dir.

Glaub, meister! glaub, das wür dich lieben,

Kanst du uns wohl so sehr betrüeben,

Kanst du dem todt entgegen gehn,

Und uns aus leyd verschmachten sehn.

Du hast uns allzeith freindt genennet,

Dich nie bis her von uns getrennet,

So laß uns ferners in dir leben,

Weill wür dir sinn und herz gegeben.

CHRISTUS.

Geh, Sathan! mir von meiner seithen,

Mit dir werdt ich nicht langer streitten,

Ich widerholle meinen schlus,

Geh, du bist mir ein ärgernus.

Dan du bist nicht nach gott gesinnet,

Und redest, was der mensch beginnet,

Sollt ich dir thuen nach deinen willn,

Wie wurd ich gottes worth erfilln?

Hört, liebste jünger! was ich sage

Ist jemand der verlangen trage

Mir nach zu folgen auf dem weeg,

Den ich euch nun vor augen leg,[9]

Mus er sich wider sich bequemmen,

Das Creuz auf seine schultren nemmen,

Mir folgen, obgleich diser last

Dem willen noch so sehr verhaßt.

Dan der hier will sein seel erhalten,

Der irret wahrlich dergestalten,

Das er sie gänzlich werd verlihren,

Und nur in das verderben führen.

Wer aber dise hier verlihret,

Weil ihm mein lieb das herz gerührt,

Der wird sie finden an dem orth,

Wo es verheißet gottes worth,

Was nuzt dem menschen nach den sinnen

Die gütter aller weldt gewinnen,

Wan er indessen ohne frid

Und an der seelen schaden lidt?

Verlihrt die seel ihr ewigs leben,

Was vor ein werth kans wider geben?

Ist wohl ein mensch so kräfften voll,

Das er sie noch erhalten soll?

Des menschen Sohn werdt ihr einst sehen,

In herrlichkeit des vatters gehen,

Da er wird kommen ohngefehr

Umgeben von der Englen heer,

Dan wird er einem jeden geben

Nach denen werken in dem leben

Wer dises will, sein seel verliehr

Auf diser weldt, und folge mir.


Rolle des Christus, Mathäus, Judas. Gehen ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 7-10.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon