Vierter Auftritt

[17] Invidia. Rabinth. Saras. Caiphas.


INVIDIA ad spectatores.

So werden sie euch nicht erkennen,

Doch baldt von meinen eyfer brennen,

Man wird den neyd baldt herschen sehn,

Und alles wird zu diensten stehn.

RABINTH.

Ist uns erlaubt dein nahm zu wissen,

Und wessen ambts du hier beflissen?

Auch wer dich hab in disen standt

Zu unsren Rath hieher gesandt?

INVIDIA.

In allweeg, freyndt! aus Galliläen

Mußt ich zu euch anhero gehen,

Mein nahm ist Rebi, und mein sach

Ist, das ich euch zu wissen mach,

Wie man alldort in sorgen steht,

Was der Prophet aus Nazareth

Von euch, und euren Völckerschaaren,

Doch endtlich habe zu erfahren?

SARAS.

Belieb dir nur herein zu treten

Du sichst uns eben in den nöthen,

Die diser mensch uns aufgebürt,

Da er ein neus gesaz einführt.

Du kommst, da wir uns hier besprachen,

Wie dieser punkten auszumachen.

INVIDIA.

So gebt, weil ihr mit uns gesinnt,

Das ich euch glückh und heyl ankünt.

Von richter, von den schrifft gelehrten

Die Eure müh stätts preisen werden.

Wie auch von unsrer Priesterschafft

Die euch erbirt des himmels krafft.

Doch kan ich nicht verborgen lassen,

Das man bey uns nicht wollte fassen,

Wie ihr die wahrheit zu gestehn,

So lang kunt durch die finger sehn.[18]

Ich rede hier kein lehres traumen

Es ist kein zeith mehr zu versaumen,

Weil ehr, und ruhm so diser mann

Erwirbt, kaum höcher steigen kan.

Je mehr er nun zu steigen trachtet,

Je minder werdet ihr geachtet,

Sodan geschicht noch mit der zeit,

Das ihr nicht mehr ein obrigkeit.

Glaubt mir, ihr werdt in haus und gassen,

Von meisten spöttlich durchgelassen,

Man sagt, ist dieses ein gericht,

Das laster sicht, und rührt sich nicht?

Man wollte disen Nazarenen,

Schon offt zu einen König Crönen.

Er nimmt euch würde, ruhm, und krafft,

Und ihr last dises ohngestrafft?

Er schreibt die fehler in die erden,

So da, und dorth begangen werden,

Ist etwas das bey jedermann

Euch mehrers noch beschimpfen kan?

Den Ehebruch den ihr pflegt zu rächen,

Wie die gesäz das urtheil sprechen,

Den spricht er los von aller pein,

Kunt euch so was nachtheilig sein?

Ihr werdt von selbst noch mehrers wissen,

Wie sehr das übl eingerissen,

Es ist demnach die höchste zeith,

Das ihr des ambts beflissen seydt.

Ja bis nicht alles aufgeriben

Aufs wenigst aus dem landt vertriben,

Versprechet euch nur keine ruh

So zuckt das schwerdt, schlagt tapfer zu.

Wan ihr nicht wollt bey zeiten wöhren,

Kunt sich wohl gar das volckh empören,

Red ich zu frey? doch selbst ermeßt,

Ob ihr nicht eures Heyl vergeßt.

Habt ihr geldt, oder volckh vonnöthen,

Gibts Galliläa ohngebetten,

Nembt also nur euer pflicht in acht,

Und euch an den betrüger macht.

CHAIPHAS.

Was Rebi weislich vorgetragen,

Ist von uns würckhlich diser tagen

Und heut beschlossen in den Rhat,

Wür werden zeigen in der thatt,[19]

Das wür beschüzen gottes Ehr,

In seiner uns gegebnen lehr.

Ich kan dir also hier verkündten,

Das bald der Argwohn soll verschwinden

Als wan wür zu saumseelig wären

Nicht billigten was dein begehren.

Behutsam nur wolln wür die sachen,

Mit disen Nazarener machen,

Damit das volckh, so ihm anhangt,

Zur aufruhr keine funcken fangt.

Das Rebi nun könn zeignus geben,

Kan er sich in den Rhat erheben,

Befordern helffen zu den todt,

Den, der sagt, er sey mensch, und gott.


Claudit.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 17-20.
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