Dritter auftritt

[10] Rabbi, Annas, Caiphas, Archaläus, Jacob rabbi, Amon, Nathan, Saduc, Samuel, Salomon, Joseph ab Arimathia, Diarabias, Rabinth, Exhiberis, Ptolomäus, Josaphat, Saras, Nicodemus.


RABBI.

Hochwürdig und hochweiser rath,

Der sich allhier versamblet hat.

Mein pflicht in wichtigkeit der sachen

Erfordert euch heuth kund zu machen,

Das ich nicht länger schweigen kan,

Dan es geht die lehr gottes an.[10]

CHAIPHAS.

So rede, was dir billich scheinet,

Aus uns ist niemand der verneinet,

Das, was gesaz, volckh, gott antrifft,

Und uns gebeuttet unser Schrifft,

Was unsre vätter uns gelehret,

Und das vernunfft auch selbst begehret,

Demselben nachzukommen sey,

Drum bring es vor, und rede frey.

RABBI.

Die allmacht gottes sey geprisen,

Es ligt am hellen tag erwisen,

Das schon von Moises zeitten her

Geblüht die wahr und reiner lehr.

Nun aber ists so weith gekommen,

Das man sich sträfflich unternommen

Die alte lehr säz zu vertringen,

Dafor ein neus aufzubringen.

CHAIPHAS.

Seind wür ursach? ists unser schuld?

RABBI.

Nun höret mich nur mit gedult.

Ich kan ohn allen zweifl sagen,

Das dem die schuld wird aufgetragen,

Der jene Nazarener sey,

Der sich da nennet ohne scheu

Ein gottes Sohn: da doch bekannt,

So eim, als außer Judenlandt,

Das ihn Maria hat gebohr'n (!)

Die Joseph sich zum weib erkorren.

Nun dieser mensch bringt es so weith,

In seiner krafft, und freindtlichkeit,

Das er so gar mit wunderwerken

Das volckh in seiner lehr thut stärken.

Er würket über die Natur

Davon erzehl ich etwas nur.

Durch Belzebub ohn villes streitten

Treibt er die teuffl aus den leuthen,

Laßt sie nicht fahren in die schwein,

Und bannts in einen see hinein.

Ja auch zum schaden viller armen,

Die billich darum zu erbarmen,[11]

Fragt er nach keiner obrigkeit,

Sezt sich zum richter diser zeith,

Er nimmet an die grösten sinder,

Als wie ein vatter seine kinder

Da er mit ihnen trinkt, und ißt,

Was gott doch straks zu wider ist.

Da er mit ihnen trinkt, und ißt,

Am Sabbath thuet er gar vergunnen,

Das man den Esl aus dem brunnen

Könn ziehen, da doch zweifl frey

Das er nur zum dienst gottes sey.

Gott und dem Kayser lehrt er eben,

Sey niemand schuldig was zu geben,

So gar im templ schlagt er drein,

Stellt allen kauf zum opfer ein.

Stoßt umb die tisch und bänckh darinnen,

Jagt viech und menschen gar von hinnen,

Alswan er nemblich selbsten herr,

Des tempels und des opfers wär.

Will nichts von seinen anhang sagen

Dan da wußt ich kein endt der klagen.

Wer ist der ihme widerspricht,

Und fordert ihn vor das gericht?

Sollt er wohl nicht von disem leben

Höchst billich red, und antworth geben?

Sollt er nicht zeigen, wo sein lehr

Und sein gewalt doch kome her?

Gewis wan wür noch länger schlaffen,

Wird gott bald unsre trägheit straffen.

ANNAS.

Was Rabbi sagt, ist sonnen clar,

Das ganze reich steht in gefahr:

Rom wird gewis die schwerdter wezen,

Uns noch den lezten streich versezen.

Wan sich ihr wuth soweith vergreifft,

Und alles gleich der erden schleifft.

Ja selbst den templ ganz verwegen,

Wird durch die flamm in aschen legen.

Wo bleibt sodan was gott gebürth,

Wer ist, der disß zu herzen führt.

CHAIPHAS.

Wie ist die sach sagt anzugehen,

Damit kein aufruhr mög entstehen?[12]

Er hat das meiste volckh verblendt,

Das ihn schon den Messias nennt.

Wan wür von landt verweisen sprechen,

Wird er den schimpf mit wissen rächen

So dan ist größer die gefahr

Als sie jemahls gewesen war.

ARCHALÄUS.

Wan mann ihn will am leib bestraffen,

Wird er ihm sicherheit verschaffen,

Durch sein erfahrne zauberkunst,

Da er verschwindt wie rauch, und dunst.

Diss hat man auf den berg gesehen,

Wo er dem stürzen thätt entgehen.

JACOB RABBI.

Man gehe sicher und nur klueg,

Dan ob gleich klagen vill genueg,

Hat man sie doch nur untersuchet,

Und mehr auf lähren wohn gefluchet.

Gesezt sein lehr wär doch von gott,

Was hätten wür als hohn und spott?

Man wird in mehr beweisthums gründen

Doch endlich noch die wahrheit finden.

Gewis ist das ein menschen mund

So weislich niemahls sprechen kunt.

AMON.

Wer soll die lehren nicht verdammen,

Die nicht von gott, von teufl stammen,

Dan sag, mit was vor wahrheits grund

Er sich wohl einstens rühmen kunt?

Das er vor Abraham entsprossen

Da doch nicht fünffzig jahr verflossen,

Seith dem das (er wie offenbar)

Zu Bethlehem gebohren war?

Entzoch er sich nicht jener orthen

Wär er mit fueg versteinigt worden.

NATHAN.

Der sich nur nährt mit lug und räncken,

Kan leicht das volckh zum aufstand lencken.

Man schließ ihn also in die bandt,

Und überbring ihn unsrer handt.

Es ist beschlossen er soll sterben,

Eh wür mit unsren reich verderben.[13]

SADUC.

Wie das man nicht noch dise stund

An allen orthen mache kunt,

Es sey von ganzen Rhat bestimmt,

Das der, der seine lehr annimbt

Von allen leuthen ausgeschlossen

Und aus der Synagog verstoßen.

Er aber werde abgestrafft

Mit ewiger gefangenschafft.

Will dise meinung euch verdrießen,

Tracht man mit ihm den frid zu schließen.

SAMUEL.

Was friden? den er niemahls liebt,

Und sich nur in dem zancken üebt.

Da er, stätts unser lehr bestreittet,

Und ihm den sig mit schwenkh erbeuttet.

Wie offt hat man ihn schon gestrafft,

Und seine lehren abgeschafft?

Jedoch, was hat diss alls verfangen?

Ist er nicht stätts herum gegangen,

Und hat der straffen ohngeacht

Das volckh zu seinen sinn gebracht?

Ihr müßt ein neues eysen schlaiffen,

Und ihn mit unsrer schrifft angreiffen.

Dan sicht man wahrlich bald an ihm,

Ob seine lehren gottes stimm?

Kommt er zu kurz, ists sein verschuldten,

Das er im landt nicht mehr zu dulten.

SALOMON.

Weith sichrer ists als bluth vergießen,

Und ein so hartes Urtheil schließen.

Wür schiken ihn dem Kayser zu,

Und bleiben hier in unsrer ruh.

JOSEPH ab Arimathia.

Ich aber kan noch gar nicht finden,

Worauf sich dise wuth soll gründen,

Dan sach ich seine thatten an,

So ist er ein gerechter mann.

Wollt ihr ihn also unschuldts wegen

In ewige gefängnus legen?

Wollt ihr ihn aus dem landt verbahnen,

Ja gar nicht seinen leben schonen.[14]

Weil er was ich betheuren kan,

So viller orthen guts gethan?

Kan Siloë wohl länger schweigen,

Und mus der schwemteich nicht bezeigen,

Das er die krancke hab geheylt,

Und ihnen den gesundt ertheilt?

Hört jene blinde so nun sehen

Hört jene lamme so nun gehen.

Ja secht die Prophetzeyen ein,

Ob er ein purer mensch kan sein?

Bedenckt euch wohl in euren schlüssen,

Sonst mießt ihr noch gewislich büßen,

Den also übereylten rhat,

Der allzeit noch betrogen hat.

DIARABIAS.

Auch du bist schon von ihm betöret,

Wie man aus deinen reden höret,

Weil du bey seiner lehr vergißt,

Was tugendt, oder sindhafft ist.

Dan sag, das alte gsaz zernichten,

Ein neus nach menschen sinn aufrichten

Und dises vor die ganze weldt,

Sag mir, ist dises nicht gefehlt?

Gott, und die Synagog verachten,

Und nur nach neuigkeiten trachten,

Sag mir bey deiner ehr und trey

Ob dises wohl vernünfftig sey.

RABINTH.

Wer wider obrigkeit und pflichten

Thuet eine neue lehr aufrichten,

Ein solcher handlet wider gott,

Verdient den schmächlichisten todt.

EXHIBERIS.

Ja wer kein obrigkeit erkennet,

Das volckh von dem gehorsam trennet,

Der ist schon, wie das recht begehrt

Der straff an seinen leben werth.

PTOLOMÄUS.

Wan man will disen rhatschlus fassen,

Mus man die händt nicht feyren lassen,

Man sez sich gleich auf gutte huth,

Ersteckh das feyer in der gluth.[15]

JOSAPHAT.

Sey er bös oder gut beschaffen,

Mus man sein thun doch gleichwohl straffen,

Dan wer uns das gesaz zernicht,

Verdienet schon das bluth gericht.

SARAS.

Was brauchen wür die recht auf erden,

Wan sie niemahl gehalten werden?

Sie nuzen ja dem landt nicht vill,

Das sich daran nicht binden will.

NICODEMUS.

Du willst uns hier die recht vorstellen,

Jedoch weist du was sie befehlen?

Das man das bös zwahr straffen soll,

Das gutte doch belohnen woll.

Nun mit was recht kanst du wohl sagen,

Das man den jenen an thuet klagen,

Den doch von solcher Tyranney

Selbst seine wunder sprechen frey?

Was hat er wider recht gehandlet?

Wo ist er wider gott gewandlet?

Wan ruffte man ihn vor gericht,

Umb was er von sich selbsten spricht?

Ohn seine werckh zu untersuchen,

Will man ihm gleich zum todt verfluchen,

Sag wan du doch erfahren bist

Ob dises recht und billich ist?

Ein richter, der solch urtheil sprechen,

Der unschuld selbst den stab will brechen

Der ist mir kein gerechter mann,

Der ist ja villmehr ein tyrann.

CAIPHAS.

Doch besser ists das einer sterbe,

Als das das ganze volckh verderbe,

Sagt ihr, was eure meinung sey.

ANNAS.

Ich weis von keiner tyranney.

Wan man den jenen will verdammen,

Der nur in seinen eignen nammen

Der ohn erlaub, ohn höchre macht[16]

Das volckh zur neuen lehr gebracht.

Nun hört, was ich erinnren wolle,

Ich mein, das mann noch warthen solle,

Bis das das osterfest vorbey

Und minder zu beförchten sey

Dan so vill volckh, so da zugegen

Wurd sicherlich die handt anlegen,

Bis das ihr lehrer fessl frey,

Und außer unsren händen sey.

SARAS.

Sehr klug ist zwahr diß dein bedenken,

Ich sollt ihm auch den Beyfahl schenken,

Doch kan man ja noch in der still

Mit ihm verfahren, wie man will.

SADUC.

Ja ja sein todt und untergehen

Mus noch vor diesen fest geschehen,

Die jünger, so er bey sich hat,

Seindt schuldig gleicher missethatt.

Das übl also ganz zu hemmen,

Mus man auch sie gefangen nemmen.

JOSEPH ab Arimathia.

Wan ihr dan also fest gesinnt,

So secht, was ihr dadurch gewinnt.

Ich kan mich nicht darzu entschlüssen,

Das bluth mit unrecht zu vergüssen.

Das wegen eurer mordt begirdt,

Umb rach zum himmel schreyen wirdt.

Wollt ihr nun nicht, was billich, fassen,

Will ich euch lieber gar verlassen


Abit.


CAIPHAS.

Geh nur der Rath wird sicherlich

Zum schlus gelangen ohne dich.

Bey disem hat es sein verbleiben,

Das übl zeitlich zu vertreiben,

Ist nöthig das noch vor dem fest

Der todt ihm gebe seinen rest.

Die sach ist sattsamm überleget,

Weil uns auch das gesaz beweget,

Man laustre also tag und nacht,

Bis er werd handfest eingebracht.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 10-17.
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