[66] Judas zu denen vorigen.
JUDAS zum geiz.
Ich frag nichts mehr nach seinen leben
Jezt will ich mich erst recht bestreben,
Damit ich dises werckh erzwing.
GEIZ.
Denckh nur auf dreyßig Silberling.
Ab.
JUDAS.
Verüblet nicht hochweise herrn,
Das ich euch hir so thue beschwähren, (!)
ANNAS.
Mein guter freind! wo kommst du her?
Allhier zu uns so ohngefähr?
Sag nur heraus, was dein begehren,
Du wirst darum uns nicht beschwären.[66]
RABBI.
Weill du hier kommst in Rhat herein,
Mus dein geschäfft was wichtigs sein.
JUDAS.
Ich komme euch als meine herren,
Durch gut, und treue dienst zu ehren,
Wan anderst selbe, wie es scheint,
Euch doch von mir anständig seind.
Ich weis, was euch daran gelegen
Das ihr des Nazareners weegen
Die sachen einmahl bringt zu endt,
Und seiner habhafft werden könnt.
Ist wahr, das er mein meister ware,
Jedoch weill ich nunmehr erfahre,
Das vill an ihm ein lährer schein,
Will ich nicht mehr sein jünger sein.
Will euch mich auf das neu verpfänden,
Und zum gesaz der Juden wenden,
Das er doch nur aus eigner macht,
So sehr mißhandlet, und veracht.
Wan also ihr auf mich vertrauet,
Und auf mein treu die hoffnung bauet,
Mir auch versprecht den lohn zu gebn,
Verkauff ich euch sein leib, und lebn.
CAIPHAS.
Mein Judas! du bist eben kommen,
Da wir zu schließen vorgenommen,
Wie wür noch vor den oster-tägen
Ihn fieglich in den kerker legen.
Dieweill du nun mit worth, und thatten,
Uns deinen meister willst verrathen,
So geben wür mit dem beding
Dir dreyßig neue silberling.
Das du dich bestens sollst bestreben
Wie du ihn könnst uns übergeben,
Befor noch so vill frembde gäst
Begehen hier das oster fest.
JUDAS.
Lebt nur getröst, und ohne sorgen,
Dan wan nicht heuth gewis doch morgen
Wird er nicht mehr in freyheit stehn,
Und sich in euren händten sehn.
So baldt ich nur die mintz hör klingen,
Werd ich gleich gehn ihn aufzubringen.[67]
RABBI.
Die silberling seindt schon gezehlt,
Kom nur herbey und nimm das gelt.
Judas nimbt das geldt, betrachtet es.
CAIPHAS.
Wan dises dir nicht soll erkleken,
So wollen wür dir mehr vorstrecken,
Bekenn es nur, hast allen fueg,
JUDAS.
Nein: Dreyßig herr! seind schon genug.
Zehlet sie.
RABBI.
Ich mein, ich habe recht gezehlet,
Wan aber dannoch etwas fählet,
Und die bedungne zahl zu klein,
Soll es sogleich ersezet sein.
JUDAS.
Nein, Dreyßig seindts, und manglet keiner,
Ist keiner größer, keiner kleiner,
Komm lieber beutl komm herfür,
Und neme disen schaz zu dir.
Legts in beutl.
CAIPHAS.
Nun sehe, wie du unsern willen
Könnst in beschloßner Zeit erfüllen,
Sonst geht der ganze kauff zurukh.
JUDAS.
Heut mach ich noch mein meisterstukh.
NEID.
Ja, liebster Judas, eyl, und sehe,
Das heut noch dises werckh geschehe,
Damit man dich als einen mann
Der redlich handlet loben kan.
JUDAS.
Nun seind verwegne leuth vonnöthen,
Mit gwehr versehen, band und ketten,
Die ich sodan (doch in der still)
Selbst wider ihn anfihren will.
CAIPHAS.
An disen solle nichts erwinden,
Du wirst sie in bereithschafft finden,[68]
Sech nur nach seinen aufenthalt,
Versaume nichts und komme baldt.
JUDAS.
Was ich einmahl mit ernst versprochen,
Hab ich mein lebtag nie gebrochen,
Heunt kommt er noch in eure händt.
Will gehen.
NICODEMUS.
Vom teuffl Judas bist verblendt.
Ja würckhlich gar von ihm besessen,
Gott, himmels, deiner seel vergessen,
Das du verkauffest jenen man,
Der dir doch so vill guts gethan.
NEID.
Geh' nur, und lasse dich nichts kräncken,
JUDAS.
Du kanst dir was du willst gedenken,
GEIZ.
Hast du das dir versprochene geldt?
JUDAS.
Ja, Dreyßig seindts, ich habs gezehlt.
Ab.
NICODEMUS.
Wie könnt ihr euch doch so versindten,
Und in der Unschuld laster finden,
Die, wan man alles recht betracht,
Wahrhafftig nur der Neyd erdacht.
NEID.
Was Neyd? kan man da nicht mit rechten
Sein so gekränckte Ehr verfechten?
Verdienet diser nicht den todt,
Der sagt er seye mensch, und gott?
Der Euer thuen, und lassen schändet,
Das volckh mit neuer lehr verblendet?
Wer also hier kein laster findt,
Der ist, wie du, in wahrheit blindt.
RABBI.
Wür retten uns von dem verderben,
Drum soll er noch vor ostern sterben,
Wie man es schon beschlossen hat.[69]
NICODEMUS.
Ich meyde also disen Rath.
Ab.
ANNAS.
Wür haben deiner nicht vonnöthen,
Geh hin, und hang dich an sein ketten,
Weill du des Judas gutt ein lüst,
Und uns so sehr zuwider bist.
CAIPHAS.
Ja, ja, was ein mahl vorgenommen,
Das mus zu seinem entzweckh kommen,
Die sach ist reifflich überlegt,
Nach denen rechten abgewegt.
Nun tringt ihr herrn auf zeigen,
Die sich auf unsre seithen neigen,
Und urkund von dem menschen gebn,
So kommt er förmlich umb das lebn.
Indessen aber wölln wür gehen,
Nach jener mannschafft umzusehen,
Die wür zu seinem zill und end,
Dem Judas haben zuerkennt.
NEID.
Und ich geh auch nach meinen pflichten
Die Galliläer zu berichten,
Und anzurühmen jenen Muth,
Dem ihr allhier erzeigen thut.
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro