Neunter Auftritt

[64] Caiphas. Annas. Neid. Judas. Rabbi. Nicodemus.


CAIPHAS.

Ihr herrn! was nächst diser orthen

Zur ruh des landts beschlossen worden,

Das wird noch allen ins gemein

In stätten angedenken sein.

Gedenkt nun auch, wie ohn beschwerdten,

Des böswichts man kan habhafft werden.

Der uns das ganze volckh verführt

Wan er nicht baldt gefangen wird.

ANNAS.

Ist freylich höchste zeit vorhandten,

Wird aber nicht so leicht verstanden,

Wie man ein solches werckh bezwingt,

Und in der still zu weegen bringt.

Ist einmahls villes volckh zu gegen,

So wirds in disen oster tägen

Sich häuffig samblen in der statt,

Da er doch alls zur stüzen hat.

Ich weis nicht, wie die sach zu schlichten,

CAIPHAS.

Wo der gewalt nichts aus kan richten,

Da mus man brauchen eine lüst,

Die in der noth das beste ist.

Es ist ein mann aus seinen hauffen,

Mit unsren silber zu erkauffen,

Der uns den so verhaßten man

Leicht in der still verrathen kan.

AMOS.

Der schlus ist guet: doch schwär zu üeben,

Du weist ja wie ihn seine lieben?

Sie werden lieber leib, und lebn, (!)

Als ihren meister übergeben.

NEID.

Was kan man nicht durch geldt bezwingen,

Der anschlag, glaub ich, mus gelingen,

Dardurch kaufft ihr nun eüre ehr,

Die sonsten vast verlohren wär.[65]

Ich bin auch zimlich gut berichtet,

Das Judas nur auf geldt verbichtet,

Wer weis, ob uns nicht diser man

Hier inahls dienen will, und kan?

CAIPHAS.

Er will: ich kans in wahrheit sagen,

Hört, was mir Amos vorgetragen,

Und höchst verdient durch diß allein

Des Rhats ein erstes glid zu sein.

Er ist zum glückh darzu gekommen,

Als Judas sich hat vorgenommen,

Das, wan man ihms mit geldt bezahlt,

Er stracks von seinen meister fahlt.

Nun Amos disen muth zu stärken

Verpflichtet ihn mit worth und werken

Schlüßt also den gemachten kauff

Und leget ihm gleich geldt darauf.

Dan sagt er ihm auf diß bestechen,

Er woll im Rhat schon mehrer sprechen,

Er lieb sein geldt, und unser ehr,

Secht nur, da kommt er eben her.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 64-66.
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