Erster Auftritt

[76] Christus mit seinen jüngeren.


CHRISTUS.

Nun ist die nacht schon angebrochen,

In der die feind ihr wuth auskochen,

Wür seind auch schon an jenen orth,

Wo man mich sucht zum schimpf, und mordt.

Ich kan bey disen meinen klagen

Euch auch anbey mit wahrheit sagen,

Ihr werdet, was ihr nie gedacht

Euch an mir ärgren dise nacht.

Das was die schrifft schon Prophezeyet,

So werden auch die schaff zerstreuet,

Nachdem einmahl der oberhirdt

Von seinen feindt geschlagen wird.

Doch wirds in kurzer zeith geschehen,

(Wies der Prophet auch vorgesehen)

Das selber die verlaßne heerd

Durch seine Rückhkunfft trösten werd.

PETRUS.

Herr! wan sich alles ärgren solle,

Glaub, das ich mich nicht ärgren wolle.

CHRISTUS.

Dein willn mir zwahr vill verspricht,

Doch kennst du deine schwachheit nicht.

Was ich gesagt, das wirst du sehen,

Eh heuth 3 mahl der hahn wird krähen.

Wirst mich mit einen eyd so gar

Verlaugnen bei der Juden schar.

PETRUS.

Nein herr! eh wollt ich 10 mahl sterben,

Und auch an einen Creuz verderben.[76]

ANDREAS.

Ich auch das Creuz erwählen wollt,

Als ich dich herr! verlaugnen sollt.

PHILIPPUS.

Eh wollt auch ich das Creuz umfassen,

Als dich mein gott, und herr verlassen.

BARTHOLOMÄUS.

O herr! von dir werd ich nicht fliehn,

Sollt man mir auch die hauth abziehn.

JACOB ¸.

Eh wollt ich auch mein eignes leben

Dem henckers knecht zum opfer geben.

JOANNES.

Soll man mich sieden in dem öll,

Weich ich doch nicht von meiner stell.

THOMAS.

Eh ich dich geb o herr! verlohren,

Soll mir ein spies den leib durch bohren.

MATHÄUS.

Ich weiche gleichfalls keinen fus,

Wan ich vor dich gleich sterben mus.

JACOB M.

Vor dich will ich auch alles wagen,

Wan man mich auch zu todt soll schlagen.

JUDAS TADÄUS.

So lang, o herr! bleib ich bey dir,

Als noch ein leben ist in mir.

SIMON.

Mit dir will alle marter leyden,

Wan man mich auch entzwey soll schneiden.

CHRISTUS.

Ihr habt euch Jünger hoch verpfändt,

Weil ihr eur schwachheit nicht erkennt,

Ihr seydt bereith zwahr vor mein leben

Das eure willig darzugeben,

Allein, was ich schon vorgesehn,

Das wird gewis noch heuth geschehn.

Ihr werdet ärgernussen fassen,[77]

Und mich noch dise nacht verlassen,

Damit die schrifft in dem so gar

Erfüllet werd, und bleibe wahr.

Ihr könnt euch dan zuruckh begeben,

Und das gemüth zu gott erheben,

Damit sein willen hier auf erd,

Durch mich, und euch erfüllet werd.

Du Petter, du Johann ingleichen,

Auch Jacob, sollet nicht entweichen,

Indem ich zu meinen zihl,

Noch ferners bey mir haben will. – –


Die andere Jünger gehen ab.


Jezt Jünger thuet die noth sich üben,

Mein seel bis in den todt betrüeben,

Mein herz ist angst, und schmerzen voll,

Weill ich zum todt jezt gehen soll.

Ihr sezt euch hier zum bitt – – und betten,

Ich geh in disen meinen nöthen

Und flech auch meinen Vatter an,

Ob er den schlus nicht ändren kan.

Wird doch nach disen bitt- und weinen

Baldt widrum hier bey euch erscheinen.

Indessen wachet der gestallt,

Das ihr in kein versuchung fahlt.


Christus entfernet sich ein wenig und die 3 Jünger sezen sieh nider.


PETRUS.

Das wachen ist mein gröster kummer

Es meldet sich schon lang ein schlummer,

Dem (fange ich gleich alles an)

Nicht länger widerstehen kan.

JOANNES.

Wie kommt es dan ich merke ewen,

Den schlaff schon in den augen schweben.

JACOB.

Auch ich genieß ein kleine ruh

Der schlaff trukt mir die augen zu.

CHRISTUS kniet auf die erden.

O Vatter himmels, und der erden,

Du sichst hier deines Sohns beschwerden,

Ists möglich, und gefallt es dir,

So nimm den bittren kelch von mir.

Jedoch es gehe, wie es gehe,

Nicht mein dein will allein geschehe.[78]

Was dir, auch mir gefällig ist,

Weill du mein herr, und Vatter bist.


Christus gehet hervor zu denen jüngeren.


Ach Peter! schlaffst du diser zeiten?

Und wachest nicht bey meinen leyden?

Wan ihr nicht wacht, und bettet baldt,

Ihr wahrlich in versuechung fallt.

Dan ob der geist gleich zeigt den willen,

Thuet doch das fleisch ihr schwachheit fühlen.

PETRUS.

Mein meister! sech, ich schlaff nicht mehr – – –


Christus gehet widerum zum gebett. Sie schlaffen widerum ein.


PETRUS.

Das wachen fallt mir allzu schwär.

JOANNES.

Nur noch ein wenig.

JACOB.

Wird nicht schaden.

PETRUS.

Ich bin von schlaff ganz überladen.

CHRISTUS kniet auf die erden.

O Vatter von dem himmels saal

Sech meine bittre herzens quall.

Wan es mit nichten kan geschehen,

Das diser kelch von mir kan gehen,

So lindre mir doch dises weh,

Damit ich nicht in leyd zergeh.

Jedoch es gehe, wie es gehe,

Nicht mein, allein dein will geschehe.

Ich weis warum du mich gesandt,

Und nimm die qual von deiner handt.

CHRISTUS gehet widerum herfür.

Diß tringt mir wahrlich tieff zu herzen,

Sie schlaffen noch bey meinen schmerzen.

Und achten kein gebett, noch noth,

Rein angst, noch forcht in meinen todt.


Gehet widerum zum gebett, und kniet nider.


Der kelch den du mir eingeschenket,

O Vatter! mich zu schmerzlich kränket.[79]

Ich bitte dich zum 3ten mahl,

Ach! lindre mir die herzens quall:

Kan es mit deinen will geschehen,

Lasß disen kelch doch von mir gehen.

Ich bitte dich, o großer gott!

Sonst sterb ich noch vor meinen todt.

Du sechst wie mich die angst erhüze,

Ja das ich bluth aus wehmuth schwize,

Ach Vatter stärckh von himmels thron,

Dein eignen so betrübten sohn.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 76-80.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon