Anderter Auftritt

[80] ENGL.

Jesu! stell die heißn thrännen

Stell das schwäre seuffzen ein,

Wan du willst die weldt versöhnen,

Mus es nur gelitten sein.


Wer wird sonst die siz erfüllen

Im halb lähren himmels saal?

Wer den zorn des Vatters stillen

Auf den schwären Adams fall?


Wer wird sonst die weldt entbinden

Von der höllen Sclaverey?

Wer den teufl überwinden,

Und die menschen machen frey?


Niemandt kan die schuld bezahlen

Auch nicht durch den schärffsten todt,

Alls alleinig du aus allen,

Weilen du bist mensch und gott.


Disß dein leyden wird in freyden

In gar kurzer zeit verkhert,

Als dan wird dein nahm von beyden

Erd, und himmel hochgeehrt.


Stell dan Jesu deine thränen

Stell das schwere seuffzen ein,

Wan du willst die weldt versöhnen

Mus es nur gelitten sein.[80]

CHRISTUS.

Ich Ehr, o Vatter deinen willen,

Und will hiemit die seuffzer stillen,

Die mir mein banges herz bewegt,

Weil es der schmerzen überwegt.

Ich preise dich in deinen werken,

Und das du mich hast wollen stärken,

In diser stund, wo meine feind,

Schon wider mich bewaffnet seindt.

Ich will nun mehro willig sterben,

Damit der mensch noch könn erwerben,

Dein reich, das doch sein missiethatt

Auf ewig schon verlohren hat.

Sech, meine feind seind schon vorhanden,

Mit ketten, striken und mit banden,

Sie kommen rasendt auf mich los,

Doch sey ihr rasen noch so gros

Will ich doch länger nicht verweilen,

Und ihnen selbst entgegen eylen.

Damit ich wies dein will begehrt,

Dir ein behändtes opfer werd.

Ich will mich willig lassen binden,

Damit der mensch bald möge finden,

Durch meinen todt, den er verschuldt

Bey dir o Vatter! gnad, und huld.

ENGEL.

Geh nur getröst: auf dises leyden

Folgt einr über maß der freyden,

Dein Vatter, der die lieb an sicht,

O Jesu! der verlaßt dich nicht.


Ab.


CHRISTUS.

Nun ist mein wehmuth ganz verschwunden,

Ich habe solchen trost gefunden,

Das ich nunmehro fest bey sinn

Und außer allen schröcken bin.

Wie könnt ihr, sagt, wie könnt ihr schlaffen?


Im hervorgehen zu denen jüngeren.


Da doch der feind schon steht in waffen?

Ich hätt' vermeint ihr hätt gewacht,

Mein ellendt, angst, und noth betracht.[81]

PETRUS.

Des schlaffs gewalt, vergib o Meister

Der schwächte uns die lebens geister.

JOANNES.

Wür wusten selbst nicht, wie uns wär.

JACOB.

Verzeich es uns, o liebster herr!

CHRISTUS.

Nicht eine nacht (was soll ich machen)

Habt ihr vermögt mit mir zu wachen,

Da ihr doch, wie ihr selbst gewolt,

Mich vor dem feind beschüzen sollt.

Und secht schon hier die Juden schaaren

Nun werdet ihr so gleich erfahren

Das alles also sich betragt,

Wie ich es euch hab vorgesagt.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 80-82.
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