Dritter Auftritt

[82] Judas mit denen Juden.


JUDAS.

Nun Juden ist es schon an deme,

Das man den raub hier unternemme,

Doch nemmet euch bey spatter nacht

Des leichten fehlers wohl in acht.

Damit ihr dan bey disen vieren

So leichter dings nicht könnet irren,

Und einen durch betrogne lüst

Ergreifft, der doch nicht meister ist,

So sollet ihr zum zeichen wissen,

Das jener den ich werde küssen

Der meister selbsten und anbey

Zu fangen, und zu binden sey.

Doch mus die sach recht klueg geschehen,

Und ihr nicht gleich auf ihn zugehen,

Weil eine macht in disen mann,

So eure leicht besigen kan.

Ihr müßt noch etwas hier verweilen,

Und ihn sodan erst übereylen,

Wan ich euch werd das zeichen gebn

Ihn unversehens aufzuhebn.


Will Christum küssen.


Mein Rabbi seye mir willkommen![82]

CHRISTUS.

Halt in! was hast du unternommen!

Wie? der du warst mein herzens freind,

Bist nun ein führer meiner feind?

JUDAS.

Ach Meister!


Ad Spectatores.


(mus mich schon verstellen)

CHRISTUS.

Da dise deine spies gesellen,

Wie kan ich mehr dein meister sein?

Pfui! schäme dich ins herz hinein.


Dises soll er mehrer liebreich als zornig reden.


Sag, wodurch hab ich dich betrüebet,

Villeicht, das ich dich so geliebet?

Das ich dir mehrer guts gethan

Als dir ein mensch erzeigen kan?

Villeicht, das ich dir brachts zu sinnen,

Wie man den himmel könn gewinnen,

Wie man hier nach der tugendt strebt,

Damit man dorthen ewig lebt.

JUDAS.

Ach leyder!


Ad Spectatores.


(ja wohl einen schmerzen

Mir ligt jezt geldt, und ehr im herzen)

Du sichst ja aus dem angesicht,

Was innen her mein wehmuth spricht.

CHRISTUS.

Dir sagt dein herz bey disen thatten,

Du sollest mich nur baldt verrathen,

Wie Judas! kanst du deinen gott

Wohl also lifren in den todt?

Ich hab dir zu dem ewign leben

Mein eignes fleisch und bluth gegeben,

Verdiente ich durch dises wohl,

Das ich durch dich jezt sterben soll?

JUDAS.

Ach herr! du sichst ja meine thrännen!

CHRISTUS.

Reumüthig seind sie nicht zu nennen.

JUDAS.

Ich kenne dich ad


Ad Spectatores.


(rath noch ein mahl)

CHRISTUS.

Doch hast du stätts die freye wahl,

Du kanst hier meinen leib, und leben[83]

Umb 30 silberling hingeben,

Die allgemach (o falscher freind!)

In deinen sackh begraben seind.

Jedoch kanst du an bey gedenken,

Wie dich diß laster werde kräncken,

Kanst noch entgehen jenen todt,

Den dir die göttlich rach antroht.

Soll doch diß alles nicht verfangen,

So still nach willen dein verlangen,

Erzwingst du nachmahl keine huld,

So giebe dir nur selbst die schuld.

JUDAS.

O herr! ich weis, du bist mein leben,


Ad Spectatores.


(kunt ich nur baldt das zeichen geben)

Dich recht zu lieben ist mein schlus,

Erlaub mir nur den freindtschaffts kus.


Küsset Christum.


CHRISTUS.

Betrognes herz du wirsts erfahren. – – –

Wen suchet ihr ihr Juden schaaren?

HAUBTMANN.

Den, der Jesus von Nazareth.

CHRISTUS.

Ich bins der euch vor augen steht. – – –


Die Juden fallen einen schritt zurukh auf die erden.


CHRISTUS.

Seht liebste Jünger wan ich wollte,

Gewis mir niemand schaden sollte.

Es wär mir kein gewalt zu vill,

Doch leyd ich, weill ich leyden will.

PETRUS.

Herr! soll ich mit dem schwerd drein schlagen?

CHRISTUS.

Nein Peter thue den straich nicht wagen. – – –

Steht auf ihr Juden von der erdt.


Stehen auf.


Und weill ihr mich allein begehrt,

Laßt meine Jünger frey hingehen,

Und selbe nach dem werckh um sehen,

Zu welchen ich sie hab bestellt,

Und aus so villen auserwehlt.

Ich möchte also nochmahl wissen,

Wen ihr zu suchen hier beflissen?[84]

ALLE JUDEN.

Den der Jesus von Nazareth.

CHRISTUS.

Ich bins der euch vor augen steht.


Fallen widerum nider.


JUDAS ad Spectatores.

Nun will ich gern den ausgang sehen,

Was ich versprach, das ist geschehen,

Das weither geht mich alls nichts an,

Und ich hab doch mein geldt darvon.

CHRISTUS ad judäos, welche sodan aufstehen.

Steht auf, erhollt euch von dem schröcken,

Den ich euch also thatt erwecken,

Ein worth das kommt aus seinen mund,

Der euch allhier zernichten kunt.

Sagt an ihr Juden was beschwerden

Nun wider mich erwisen werden,

Das ihr sogar bey spahter nacht

Allhier mich aufzusuchen tracht?

Versechn mit knittln, und mit schwerdtern,

Kommt ihr zu mir gleich einen Mördern,

Da ich doch täglich ohn gefahr

Mit euch im templ gottes war.

Wollt ihr mir so die zeichen dancken,

So ich gethan an euren krancken?

Ist dises nun der arbeith lohn,

Den sich verdient des menschen Sohn?

HAUBTMANN.

An uns allhier, und unsren waffen

Ist kein gewalt, noch schuld zu straffen,

Wür thuen, was uns der Priester Rath,

Aufs schärpfist anbefohlen hat.

CHRISTUS.

Umsonsten wär all euer vermögen,

Ihr sollt mir keine handt bewegen,

Wan ich die zeith im todt zu gehn

Mir selbsten nicht hätt ausgesehn.

Nun mehr ist euer stund vorhanden,

Zu schließen mich in kett, und banden,[85]

Nun kan die macht der finsternuß

An mir vollziehen ihren schlus.

Kommt nur herbey hand anzulegen,

Ich bin euch keines weegs entgegen.

Doch denkt, und rühmt euch nicht zu vill,

Ich leyde, weill ich leyden will.

Bedient euch des gewalts der höllen,

Kommt mich den richtren fürzustellen,

Ich leyde alles mit gedult,

Und zahl dadurch ein frembde schuld.

JUDAS ad Judäus.

Jezt wohl gemuth habt nichts zu scheuen,

Den Rhat kan auch das geldt nicht reuen,

Er wird noch sagn ich sey ein mann,

Der sein versprechen halten kan.

HAUBTMANN.

Kommt dan ihr knecht mit band, und ketten,

Und schließet ihn wie es vonnöthen,

Versaumet nichts an eurer pflicht,

Er wolle, oder wolle nicht.

Er wird sich wohl ergeben müssen,

Und sein verlogne gottheit büßen,

Die zauberkunst hat jezt ein end,

Geht, bindet ihm nur fest die händt.

Das er uns hat gestürzt zur erden,

Das kan ihm nun vergolten werden,

Mißhandlet ihn wie es zu steht,

Dem zauberer von Nazareth.

PETRUS.

Jezt kan ich mich nicht mehr enthalten,

Ich mus die tolle köpf zerspalten.

Ich hau sodan nach cräfften drein,

Und soll ich auch des todtes sein. – – – –

MALCHUS.

O weh!

CHRISTUS.

Halt Petter! halte innen,

Umsonst ist dises dein beginnen,

Umsonst, das (wie doch mein Vatter wollt)

Ich disen kelch nicht trincken sollt?

Es wär mit einer bitt geschehen,

Sollst du die 12 legionen sehen,[86]

Der Englen, die auf mein begehrn,

Gleich hier zum schuz bereithet wärn.

Wer thuet das schwerd zum streich aufheben

Kommt durch das schwerdt auch umb das leben.

Das nicht an dir diß werde wahr,

Gib ich vor dich das meine dar.

MALCHUS.

O weh! o weh! eins meiner ohren

Hab ich durch einen streich verlohren,

Das ist mir ja die grooßte schand

In ganzer statt, in ganzen landt.

CHRISTUS.

Führt ihn herbey ohn alls verweilen,

Ich werde ihm das ohr anheylen.

Sodan führt mich nur vor gericht,

Weill mir mein lieb diß Urtheil spricht.


Christus heylet indessen dem Malcho das ohr an.


PETRUS ziehet sich hinweg.

Wan dises, mus die flucht uns retten,

JACOBUS ziehet sich hinweg.

Ich förcht mir auch in disen nöthen.

JOANNES.

Was kan ich also hier allein,

Die flucht wird wohl das beste sein.


Da Joannes hin weg gehet, hinterlasset er den Mantl in denen händen eines Juden, der ihne bey selben hat halten wollen.


MALCHUS.

In wahrheit, ich fühle keine wunden,

Und hab durch dich mein ohr gefunden,

Bist dannoch ein sehr gutter mann,

Den ich die müh wohl dancken kan.

RABBI.

Was danckst du umb die Zaubereyen?

Mehr soll dich dein gesundtheit reuen,

Als das du glaubst und stellst dich an,

Als hab er dir was guts gethan.

HAUBTMANN.

Was hier von seiner kunst zu melden,

Das wird ihm schon der Rhat vergelten.[87]

Nun Juden seyet auch bedacht,

Das ihr die jünger handtfest macht.

SALOMON.

Sie seind jezt schwerlich zu erlangen,

Indem sie alle flichtig gangen.

NATHAN.

Den ich geffaßt, entrißr sich,

Und liesß den mantl in dem stich.

HAUBTMANN.

Dem hochen Rhat wird diß vor allen

An unsrer treu, und mühe gefallen,

Das wür den meister dise nacht

So glükhlich haben eingebracht.

SADUC.

Was fragen wür nach disen thoren,

Genug das sie ihr haubt verlohren.


Dises was folgt, soll alles spöttisch geredet werden.


LEVI.

Wie steht es, meister kneblbarth?

Sag: geht es dir villeicht zu harth?


Ziehet Christum bey dem barth.


MALCHUS ziehet ihn bey den Ohren.

Lasß sehen, ob du deine ohren

Nicht etwan auch, wie ich, verlohren?

DATHO stoßt ihn an die seithen.

Red, weil man es von dir begehrt!

Du bist ja klueg, und schrifft gelehrt.

JACOB RABBI stoßt ihn auf eine seithen.

Komm meister, lasse dich umfangen.

SALOMON reißt ihn auf die ander, das er zur erden fallt.

Nein! Ich will dises glickh erlangen!

Wie das die erd dein himmel ist,

Da du doch der sohn gottes bist?!


Sie reißen Christum auf, sie schlagen ihn.


MALCHUS.

Auf! Auf! Allhier ist kein verbleiben.[88]

LEVI.

Wir wolln das viech dem stall zu treiben.

HAUBTMANN.

Ich weis das Annas gar zu harth

Auf uns und seine ankunfft warth.

O wie wird er in Ehrfurcht stehen,

Wan er wird deine gottheit sehen.

Komm also mit unser in die statt

Allwo mann deiner nöthig hat.

CHRISTUS ad Spectatores.

Nun falsche weldt hast mich gefangen,

Weill ich dir selbst ins nez gegangen,

Du treibst mit mir nur hohn und spott,

Ob ich schon bin dein wahrer gott.

Nur dich gefangne zu entbinden

Von deinen mir so schwären sinden,

Sich, was ich nun auf diser erd

Vor dich schon leyd, und leyden werd.


Gehen ab.

Judas gehet mit dem geiz hervor.


GEIZ.

Nun Judas mus ich dir bekennen,

Das du ein wahrer mann zu nennen,

Du hast dein sach aufs höchst gebracht,

Und dir darbey dein geldt gemacht.

JUDAS.

Dir, liebster freind bin ich verbunden,

Das ich ein neus stuckh geldt gefunden,

Und dises durch ein solche lüst,

Die mir zum ruhm, und ehrlich ist.

Nun will ich ohne sorgen leben,

GEIZ.

Diß thue, jezt kanst in freyden schweben.

JUDAS.

Es gehe, wie es gehen soll:

GEIZ.

Ja bis es hanget, lebe wohl.


Gehen auseinander.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 82-89.
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