[89] Jacobus. Petrus. Joannes. Sehen zu der sceen herfür einer nach dem anderen, und zwahr ein jedweder auf einer anderen seithen; bis sie zusammen kommen.
JACOBUS.
Ist wohl zu trauen?
JOANNES.
Darf ichs wagen?
PETRUS.
Ist es wohl sicher?
JACOBUS.
Meiner tagen
Hab ich kein solche angst erlebt,
JOANNES.
Mir noch das herz vor schröcken bebt.
PETRUS.
Auf einmahl, weis nicht, wie es kommen,
Hat mir die forcht den muth benommen,
Und da ich vor den feind verwundt,
Sach ich nun, wie ich fliehen kunt.
JACOBUS.
Ach! liebster meister! deinetwegen
War unser muth so sehr verlegen,
Dan du gabst dich ja selbsten blos,
Und diese wuth war gar zu gros:
JOANNES.
Da gleich der anfang so geschehen,
Ach! wie wird es ihm noch ergehen?
Wird wohl noch auf der weldt ein pein
Der seinen zu vergleichen sein?
PETRUS.
Und dannoch habn wür ihn verlassen,
Auf diser rauchen mörder straßen,
Uns helden! die wür ohne feind
So sehr beherzt und tapfer seind.
Da er sich selbst ergeben wollen,
Da hätten wür fest stehen sollen.
Raum hat der Jud auf ihn geflucht,
Pfui! haben wür die flucht gesucht.
JACOBUS.
Da unser meister lag in ketten,
Da stund uns zu, sein ehr zu retten,[90]
Ach liebster gott! wie schwach war nicht
Bey disen unser treu, und pflicht?
Wür waren reich in dem versprechen,
Und schwörten, all dein schmach zu rächen
Wo ist die rach? Wo ist der eyd?
Wie arm ist die beständigkeit?
JOANNES.
Mich thuet das abentmahl bewegen,
Wo ich auf seiner brust gelegen,
Und ein verzuckte ruh genosß,
Die mir aus seinen herzen flosß.
Ach herr! ist diß nun mein erkennen,
Das ich mich von dir thätte trennen,
Da mann dir alle ruh benimmt,
Und dir den härtsten todt bestimmt?
PETRUS.
Wie treulich sagte er uns allen,
Das wür in ärgernusß verfallen,
Und dises zwahr noch dise nacht,
Der ausgang hat es wahr gemacht.
Ich meint' (doch nur bey heitern tägen)
Es sollte mich kein sturm bewegen,
Das ich ein felsen war zu vor,
Bin jezt ein schwaches binssen Rohr.
JOANNES.
Allein was nuzet dises klagen,
Wür müssen andre sorgen tragen,
Was ist zu thuen in diser noth,
Die allen das verderben troht?
JACOBUS.
Daher erfordren unsre pflichten,
Auch alle andere zu berichten,
Wie das der meister nicht mehr frey,
Und im gewalt der feinden sey.
PETRUS.
Maria wird in leyd zergehen,
JOANNES.
Ihr heldenmuth uns bey zustehen
Fleßt mir ein gutte hoffnung ein,
Sie wird noch unsre mutter sein.[91]
JACOBUS.
Du hast mein Meinung hier getroffen,
Dan dahin zihlt auch all mein hoffen,
Weil Jesus selbst sich ihrem Rhat
Von Jugendt auf ergeben hat.
JOANNES.
In mir will ein begürd entstehen,
Dem meister nochmahls nachzugehen,
Und ihm in seiner großen pein
So gut ich kan ein trost zu sein.
PETRUS.
Wird man dir nicht die thür verschlüßen?
JACOBUS.
Wirst du nicht gleichfahls leyden müssen?
JOANNES.
Ich sorge keinen widerstandt,
Weill ich im haus sehr wohl bekant.
JACOBUS.
Ich will dir dein begirdt nicht hemmen,
Noch deiner lieb die krafft benemmen,
Doch gibt mir jeder umstandt ein,
Dein trost möcht ohne würkung sein.
PETRUS.
Wo du hingehst, will ich auch gehen,
Und gleichfahls nach dem meister sehen,
Wer weist, ob uns das glückh nicht scheint,
Das wür ihm noch zur rettung seind.
Ich will den zutritt schon erzwingen,
Auch mitten durch die waffen tringen,
Damit ihm meine lieb ersezt,
Was ihm zu vor mein flucht verlezt.
JOANNES.
So komm geschwind, wan du willst kommen,
PETRUS.
Es bleibt, wie wür es vorgenommen,
JACOBUS.
Ich will zu unsern Brüdern gehn,
Und gleichfahls nach dem meister sehn.
Gehen ab.
Joannes und Petrus gehen miteinander auf einer, und Jacobus allein auf der anderen seithen.
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