[127] Christus. Pilato. Sistitur. Pilatus. Caiphas. Annas. Rabbi. Rebi. Rosmachin. Riphar. Exhiberis. Diarabias. Haubtmann.
PILATUS.
Was ihr von disen menschen klaget,
Und mir als eine schuld vortraget,
Die, wie ihr wollet ohne gnad
Sogleich den todt verdienet hat.
Diß scheinet mir in wahrheits gründen,
Noch so vill hindernuß zu finden.
Das ich, verzeicht, an disen Mann
Das Urtheil noch nicht schließen kan.
CAIPHAS.
Ich weis nicht, was dich hier beschwäre,
Wan er kein üblthätter wäre,
Hätt man dir ihn nicht übergebn,
Ja er wurd noch in freyheit lebn.
Glaub das man schon von etlich jahren
Hab seine bubenstuckh erfahren,
Und das er der gebrauchten lüst
Genugsam überwisen ist.
ANNAS.
Wan dem gesaz stätts widersprechen,
Den Sabbath nach belieben brechen
Wie auch das Volckh mit neuen lehrn
Von unsrer Sinagog ab kheren.[127]
Wan jeden von den grösten sinden
Aus angenommner macht ent binden
Wan diß dir kein Verbrechen scheint,
Weis ich nicht, was Verbrechen seind.
RABBI.
Im landt bey denen Unterthanen
Dem Kayser den tribut abspannen
Und sagen, er sey selbsten gott,
Verdienet dises nicht den todt?
REBI.
Dem Rhat der stätts in allen landen
Im höchsten ruhm und ehr gestanden,
Benemmen den so großen schein
Das mus firwahr gerochen sein.
Das ansehn kan man schlechter maßen
Nicht in den rauch vergehen lassen,
Gibst du den klagen kein gehör,
So leydet auch dein eigne ehr.
ROSMACHIN.
Die ehr uns von dem fahl zu schüzen,
Hat dich der Kayser als ein stüzen
Anher in dise statt gesandt,
So bieth uns, wie du sollst die hand.
RIPHAR.
Wer sich von dem gesaz abtrennet,
Und sich ein haubt des abfahls nennet,
Dem gibt der Kayser selbst kein gnad
Wie er es uns versprochen hat.
PILATUS.
Ich weis mein pflicht, und auch den willen
Des Kaysers noch schon zu erfüllen,
Doch weis ich auch, das er nicht woll,
Das ich ohn schuld wen richten soll.
AD CHRISTUM.
Du hörest selbsten ihre klagen,
Was thuest du dan auf dise sagen?
Stehst du wohldises alles ein?
Sag, oder ob sie fälschlich sein? – – – –[128]
CHRISTUS schweiget.
Red, thue die wahrheit hier nicht spahren,
Du sollst gerechtigkeit erfahren.
Zeig nur getreulich alles an,
Damit ich endlich sprechen kan. – – – –
CHRISTUS schweiget.
Er redet nichts, was soll ich machen
Bey disen so verwirrten sachen?
Dan, wo sich kein bekantnuß zeigt,
Das recht auch von dem Urtheil schweigt.
EXHIBERIS.
Durch dises schweigen will er eben
Sich dir in allen schuldig geben,
Dan wan er ohne laster wär
Fiel ihm das schweigen allzuschwehr.
DIARABIAS.
Der Unschuld fehlt es nie an worthen,
Sie weis gewislich jeder orthen
Wie, ob gleich alles klagen voll
Sie dannoch sich beschüzen soll.
PILATUS.
Mir ist ganz anderst zu gemüthe
Er sihet allhier meine gütte,
Er hört der klagen allzuvill,
Und dannoch schweigt er immer still.
Ist er dan schuldig, kunt er hoffen,
Es steh ihm meine gütte offen,
Ist er unschuldig, weis ich nicht,
Warum er gar nichts widerspricht.
Ich meines orths thue sehr besorgen,
Es lig ein räzl hier verborgen,
Das nach und nach die zeith ausführt,
Und das geheimnuß zeigen wird.
CAIPHAS.
Es brauchet gar nicht villes weesen
Diß Räzl gründlich aufzulesen,[129]
Verdame ihn nur zu den todt,
So seind wür alle aus der noth.
PILATUS.
Ihr redet nur stätts von verdammen,
Gebt doch der Ursach keinen nammen.
Nach welchen ich auf dise stund
Gemesß den Rechten sprechen kunt.
Dan wan er, wie ihr wollt erzwingen
Das Volckh zur aufruhr thatte bringen,
Wär es aus dem bericht vom land
Ja vor euch allen mir bekant.
Ihr sagt, das Volckh thatt seinentwegen
Dem Kayser keinen zins erlegen,
Wie aber kan wohl dises sein?
Er lauffte allzeit richtig ein.
Ihr fluchet über ihn zu sammen,
Das er von euren göttren stammen,
Und also selbst ein gott sein woll,
Was ich nun an ihm straffen soll.
Ich hab doch längsten schon vernommen,
Es soll euch ein Messias kommen.
Und disß nach eurer eignen lehr,
Wie wärs, wan diser mensch es wär?
Gewiß sein wunder volles leben,
Thuet von ihm große Zeugnuß geben,
Das, wie man mir erzehlet hat,
Er seye in der götter gnad.
Doch mir die schuld nicht beyzumessen,
Als wär ich meines ambts vergessen,
Verlasset mich und haltet wacht,
Bis ich ihn hier allein bespracht.
Sie gehen ab. Christus bleibt allein bey Pilatus.
AD CHRISTUM.
Sey dem gericht nun unterthänig,
Und sag, ob du der Juden König?
Sprich, das ich dises wissen kan,
Dan es ligt mir, und dir daran.
CHRISTUS.
Thuest du diß aus dir selbsten sagen?
Wo nicht, wer hat dirs vorgetragen?[130]
PILATUS.
Ich bin kein Jud, was geht sodan
Mich heyden ihr Messias an?
Bey mir ist dises kein verbrechen,
Und weis hier keine schuld zu rächen,
Halt auch destwegen kein gericht,
Du seyst Messias oder nicht.
Die hoche Priester, und Beyneben
Hat dich dein Volckh mir übergeben,
Diß klagt dich so mit nachtrukh an,
So sage, was hast du gethan?
CHRISTUS.
Mein Reich, das ich mir auserlesen,
Ist nie von diser weldt gewesen.
Und wird es auch niemahlen sein,
Diß bilde dir nur kräfftig ein.
Wär ich ein fürst von diser erden,
So soll ich bald gerochen werden,
Mein dienerschafft stund schon bereith
Vor mich zu gehen in dem streitt.
Eh sezte sie ihr leib und leben,
Als jemand mich soll übergeben,
Der Juden rott: wie schon gemeldt
Mein Reich ist nicht von diser weldt.
PILATUS.
So ist man dir dan unterthänig?
CHRISTUS.
Du sagst es dan ich bin ein könig.
Zu disem bin ich nur gebohrn,
Und von dem Vatter auserkorn
Damit, weill ich auf erden lebe,
Der wahrheit selbsten zeugnuß gebe,
Wem dan die Wahrheit nicht verhaßt,
Dem ist mein stimm zu keinen last.
PILATUS.
Was ist die Wahrheit? lasß michs wissen. – – –
Christus schweigt: ad Spectatores.
Er schweigt, was soll ich hier nun schlüßen?
Wan ich sein angesicht betracht,
Sagt dises mir, nimm dich in acht.
Wan ich der Juden wuth erwege,
So weis ich, das der Neyd sich rege,[131]
Der Neyd macht ihre köpf so toll,
Und will, das ich ihn tödten soll.
Wie aber? der so großen klagen
Sich unterstunde abzusagen,
Der hätte sich zu vill erfrecht. – – – –
Doch nein Pilatus ist gerecht.
Ich kan aus allen seinen weesen
Nicht die geringste ursach lesen.
Warum er ihnen zu gefalln
Die schuld soll mit dem todt bezahln. – – – –
Kommt nur herein. – – – – ich kan nichts finden
Noch eine schuld an ihm ergründen.
Wodurch er, wan ich alls betracht,
Sich diser straff verdient gemacht.
Will das gesaz euch doch gebietten,
Das ihr sollt wider ihne wüetten,
Ohn Ursach: gehet also hin,
Thuet nach belieben: richtet ihn.
CAIPHAS.
Uns will es keines weegs gebühren,
Ein solches Urtheil aus zuführen,
Du kanst es thun, was wür begehrn,
Weill wür dich hier als richter ehren.
ANNAS.
Du kanst ja diß mit fueg nicht sagen,
Das wür ihn ohne grund verklagen,
Glaub, das ein hocher Priester-Rath
Doch entlich ein gewissen hat.
REBI.
Auch Galliläa spizt die ohren,
Allwo der böswicht doch gebohren,
Ob dan allhier die Priesterschafft
Zu solchen greul nur ruht, und schlafft.
PILATUS.
Wie? Was? ist er ein Galliläer,
So kommt mir mit der klag nicht näher.
Auf dise weis geht diser Mann
Mit seiner schuld mich gar nichts an.
Herodes also ist sein König,
Nur disem ist er unterthänig.
Führt ihn sodan zu seinem herrn,
Und stellt an selben das begehrn.[132]
Er ist allhier, wie ich vernommen
Zum osterfest erst angekommen,
Er mach mit ihme was er will,
Ich gib ihm hier kein maß noch Zihl.
Ich will die feindschafft nicht vermehren,
Noch ihn an seinem recht beschwären
Er tödte, oder laß ihn frey,
Mir ist dis alles einerley.
Diß mießt ihr ihm doch hinterbringen,
Das ich an Christus allerdingen
Kein einziges Verbrechen findt,
Das ihm zu einer straff verbindt.
HAUBTMANN.
Dein will o herr, der soll geschehen.
AD JUDÄOS.
So laßt uns zu dem König gehen,
Nemmt euch hier alle wohl in acht,
Das er werd sicher hingebracht.
Gehen ab.
PILATUS.
Geht nur wohin der neyd euch zwinget
Und auf den todt der unschuld tringet,
Dan diß ist mir ein solcher mann,
Den nicht genug bewundern kan.
Man suchet sich an ihm zu rächen,
Und kan doch sein gedult nicht schwächen.
Der haß verleumt ihn wie er will,
Und er schweigt doch zu allem still.
Ich hab an seiner stirn ersehen,
Das ihm nichts falsches zu könn stehen,
Und was er nur in kürze spricht,
Das hat ein bündiges gewicht.
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