Vierter auftritt

[138] Herodes. Annas. Caiphas. Malchus. Rebi. Ruben. Nathan. Christus.


HERODES.

Die klagen hab ich eingenommen,

So mir durch euch hier vorgekommen.

Nun kommt es nur auf dises an,

Ob er ein solcher wundersmann.

Als man von ihme pflegt zu sagen?

Ich hab schon offt begird getragen

Das ich ihn selbst mit eignen mund

In gegenwarth besprechen kunt

Mus also offentlich bekennen,

Pilatus sey mein freind zu nennen

Weill einen solchen in der thatt

Er sich allhier erwisen hat.

AD CHRISTUM.

Wan dan der ruff, so von dir gehet,

Bey seiner wahrheit richtig stehet,

So zeige mir dein macht, und stärckh

Auch nur in einen wunderwerkh. – – – –

CHRISTUS schweigt.

Mann sagt zu Cana sey geschehen,

Da euch der wein baldt aus wollt gehen,

Das du gemacht aus wasser weinn.

Sag mir, wie kan diß wohl sein? – – –

CHRISTUS schweigt.

Hier ist ein wasser thue desgleichen,

Und gib mir deiner macht ein zeichen,

Sodan will dich zu deinen lohn

Erkennen vor den gottes Sohn. – – – –


Christus schweigt.


CAIPHAS.

Der teuffl hat ihn hier verlassen,

Darumen kan er sich nicht fassen,[138]

Und schweigt gewislich nur aus list,

Weill ihm die kunst zerrunnen ist.

HERODES.

Willst du dich zu dem nicht bequemmen

Will ich ein ander prob einnemmen,

Fünff tausendt menschen, wie man weist,

Hast du nur mit 5 brodt gespeißt.

Hier ist ein brodt, thue es vermehren,

Das also dises zu verzehren

Vor hundert nur erklöckhlich ist,

Wan du noch hier so machtig bist.


Christus schweigt.


ANNAS.

Den jenen, welche stum gewesen,

Thätt er auch ihre zungen lesen.

Wer ist nun diser wundersmann,

Der ihm die seine lesen kan?

MALCHUS.

Villeicht ists Malchus: laßt michs sehen


Versezet Christo einen baken streich.


Wie? will das reden noch nicht gehen?

REBI.

Es wäre wider seine ehr,

Wan er als gott empfindlich wär.

HERODES.

Ja: wie ich sech, ist er mein König,

Und ich bin ihm hier vill zu wenig.

Als das, umb was ich mich bestreb

Er mir nur eine antworth geb.

Der hochmuth den wür hier erkennen,

Verdienet nichts als nur verhönen

Alsdan verlihrt er seine krafft,

Und ist der naar genug bestrafft.

Diß Urtheil thue ich ihm nun sprechen,

So will ich mein beschimpfung rächen

Weil er sich dunket so gescheidt,

Geht, bringet ihm ein weißes kleyd.


Page gehet ab.


CAIPHAS.

Wie aber wird der Rath gerochen?

Er hat ja mehr als diß verbrochen.[139]

Der todt allem die maas erfüllt,

Verzeihe mir, du bist zu mildt.

ANNAS.

Du wollest nur die folg bedenken,

Wan man ihm soll das leben schenken,

Bedienn dich also deiner macht,

Westwegen wür ihn hergebracht.

HERODES.

Pilatus führt allhier die waffen,

Verdiente böswicht abzustraffen,

Dem sendt ich ihne widrum zu,

Und leb mit ihm in freindtschafftsruh.


Der Page kommt mit dem weißen kleyd.


Will ich die sach im grund betrachten,

Verdient er mehr nicht, als verachten.

Bekleydet ihm hiemit zum hohn,

So hat der hochmuth seinen lohn.


Sie legen Christo das weiße kleyd an.


RUBEN ad Christum.

Euer Mayestätt wolln also leyden,

Das wür sie nach gebühr an kleyden.

Diß kleyd wird offt von ehren sagn,

Weil es der narren gott getragen.

NATHAN.

Die weisheit will halt auf der erden

In allen orthen scheinbar werden,

Jezt geh, doch nicht zur weldt hinaus,

Und Predig in dem narren haus.

HERODES.

Von mir ist er nunmehr entlassen,

Führt ihn nur so durch offne straßen,

Damit ersech die ganze statt,

Was sie vor einen Doctor hat.

Pilatus wird das mehrer schlüßen,

Und allem recht zu steuren wissen,

Bringt ihm von mir auch dises bey,

Das ich sein freund von herzen sey.


Gehen ab, wird zugeschlossen.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 138-140.
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