Sibenter auftritt

[160] Cayphas. Annas. Pilatus. Simon leprosus: Rhaban. Achias. Sabat. Rosmachin. Patiphares. Riphar. Joseph ab Arimathia. Josam. Exhiberis. Nicodemus. Diarabias. Saras. Rabinth. Josaphat. Ptolomäus Salomon. Amos. Rebi. Barrabas.

Der Schlus wird aufgezohen, und der Rhat stehet schon beysammen, jedoch nicht Pilatus und Christus mit der wacht.


CAYPHAS.

Nun soll das werckh ihr endt erreichen,

Ich hoff es werde keiner weichen,

Von unsrer ehr, und seiner pflicht,

Die nur vom todt des Creuzes spricht.

Pilatus ruffet uns zusammen,

Damit er endlich könn verdammen,

Den jenen bösewicht, der allein

Will aller Juden König sein.

Es will sich also hier gezimmen,

Das ihr durch allgemeine stimmen

Nur disem Urthl pflichtet Bey,

Das er des todes schuldig sey.

ANNAS.

Laßt euch durch keinen zweiffl schröken,

Noch einigs leyd in euch erweken,

Fühlt zu gemeiner Ruh, und lust

Hasß, wuth, und Rach in eurer brust.

Jerusalem soll heut noch sehen,

Was noch bishero nicht geschehen,[160]

Das der so kürzlich sig gebrangt

Den Mördern gleich am galgen hangt.

ALLE ausgenommen die vor Christo stehen.

So werd der hochmuth unterthänig.

PILATUS gehet mit Christo, Barraba, denen 2 schächeren und der wacht hervor.

Ihr Juden sehet euren König!

RABBI.

Das ist all unser sinn, und stimm

ALLE.

Ans Creuz mit ihm, ans Creuz mit ihm.

PILATUS.

Wie Euren König (welcher Nahmen)

Soll ich zum todt des Creuz verdammen?

ALLE.

Der Kayser nur ist unser herr,

Sonst weist man keinen König mehr.

PILATUS.

Doch wisset, das sich nicht gezimme

Das man im Rhat mit schreyen stimme.

Ein jeder mus sein losung gebn,

Ob er soll sterben, oder lebn.

Sonst wird ich hier nicht müßig sizen,

Und ihne mit gewalt beschüzen,

Weill man ihn doch nicht richten kan,

Man hört dan einen jeden an.

ALLE.

So ist es billich.

PILATUS.

Also saget,

Was ihr vor eine Meinung traget,

Doch nemmt pflicht, eyd, und gott in acht,

Weill mans nicht ohne greul veracht.

SIMON LEPROSUS.

Mir sagte allzeit mein gewissen,

Man könn an ihm nichts böses schlüssen,

Dan was er immer hat gelehrt,

Das ware allen lieb, und werth.

Ich sage dan mit kurzen worthen,

Man soll ihm ferners diser orthen[161]

Kein leyd zu fügen, lassen lebn

Und sein verdiente freyheit gebn.

RABAN.

So ist mein Meinung nicht beschaffen,

Ich will nichts wissen als von straffen,

Und zwahr mit dem verschuldten todt,

Weill er sich prahlt, er seye gott.

Wür wurden villmehr nicht entfliehen,

Und die Rach gottes auf uns ziehen,

Wan seine so geschimpfte ehr

So schlechterdings gerochen wär.

ACHIAS.

Ich führe eben die gedanken,

Man soll in disen schlus nicht wanken,

Dan was er wider gott vollbracht,

Ihm diser straffen würdig macht.

Wan man ihm hier verschonen wollte,

Was wär, das man mehr straffen sollte?

Ich sag sodan, ohn alle gnad

Hinaus mit ihm Zur schädlstatt.

SABATH.

Nein: soweith kunte ich nicht gehen,

Wer kan ihm ohn empfindung sehen?

Ist er nicht also zugericht,

Das ihn sein Ellend ledig spricht?

Und hätt er, was er wollt verbrochen,

So ist es ja schon satt gerochen,

Der hat zu ville grausamkeit,

Der ihm noch umb sein lebn beneydt.

RASMACHIN.

So soll er also ferners leyden?

Ihme schonen nenn ich grausamkeiten,

Je länger man ihn leben last,

Je mehrer wird ihm diß verhaßt.

Will man ihm dan ein gnadt erweisen,

Laßt man ihm baldt zum galgen reisen,

Und dises ist mein schlus, und sinn,

Weill ich so Mildt, als gnädig bin.

PATIPHARES.

Der Meinung bin ich längst gewesen,

Das Volckh mus hier ein beyspill lesen,[162]

Wie jener zu bestraffen sey

Der es endtbindet von der trey.

Auf diser Canzl kan er lehren,

Wie gott, der fürst, und Rhat zu ehren,

Man wirdt ihm darum ins gemein

Er nach den todt verbunden sein.

RIPHAR.

Das feuer, so er angezindet,

Und das so statt als landt empfindet,

Wird besser nicht in brandt ersteckt,

Als wan man ihm ans Creuz ausstrekt.

Das bluth so ihm aus händ und füßen

Wird mit so reichen strömen flüssen

Erkleket schon das dises weh

Beyzeiten noch zu aschen geh.

JOSEPH ab Arimathea.

Die worth seind gros, doch klein die thatten,

Ihr fliecht die sonn, und geht in schatten

Vernunfft und Wollust euch verblendt,

Weill ihr die wahrheit nicht erkennt.

Vor etlich tägen, da er kommen,

Habt ihr ihn freydig aufgenommen,

Heuth haltet ihr ein bluth gericht,

Verdammet ihn; das will ich nicht.

JORAM.

Dein willen wird uns nicht vill kränken

Du magst dir, was du willst gedenken,

Wür bleiben schon auf festen schluß,

Das diser böswicht sterben mus.

Und sollen auch die Elementen

Ihm wider uns ihr hilff zu sändten

Ja wäre er auch ohne schuldt,

So findet er doch keine huldt.

EXHIBERIS.

Genug, das man die Ruh begehret,

Die er im ganzen landt gestöret,


Zum Joseph.


Sag dan, wan du vernünfftig bist,

Ob dises kein Verbrechen ist?

Man mus die wahrheit zu bekennen

Das laster keine tugendt nennen.[163]

Weill er dan also lasterhafft,

So werdt er mit dem Creuz gestrafft.

NICODEMUS.

Diß hat man längsten schon erweget,

Und auch mit nachtrukh widerleget

Gewalt geht also wider Recht

Weill ihr nur aus Verhassung sprecht.

Kan ich dan kein Verbrechen finden,

Mus ich ihn auch der straff entbinden,

Ja ich bekenn ohn allen scheu

Das diser Man unschuldig sey.

DIARABIAS.

Unschuldig sein will gar vill sagen,

Und zwahr bey so vill schwären klagen,

Die man mit grund und wohl bedacht

Stätts wider ihn hat aufgebracht.

Den hasß den er allhier empfindet,

Den hat er selbsten angezündet,

So faß er also auch den Muth

Lösch ihm an Creuz mit seinen bluth.

SARAS.

Wür können uns nicht widersprechen,

Und den gemachten schlus mehr brechen,

Was man schon einmahl hat erkennt,

Das werde nicht mehr umgewendt.

Was wüll man uns dan noch befragen,

Was wür vor eine Meinung tragen,

Ich bleib, wie vormahls, stätts darbey

Das er ans Creuz zu hefften sey.

RABINTH spöttisch.

Kommt er den todt doch in die klauen,

Wer würd sodan den templ bauen?

Diß ist ein sach, die in der thatt

Noch manches zu bedenken hat.

Drum einen sichern schlus zu fassen,

Wird sich nichts bessers finden lassen,

Als das man ihm zum Creuz verweißt,

Befor er ihn zusammen reißt.

JOSAPHAT.

Aus solchen spotten, und verhöhnen

Wird man kein Urtheil fassen können[164]

Man gibt der sach nur einen schein,

Und sicht nicht in den grund hinein.

Mich zwingt sein lebn, und wunderzeichen

Von eurer Meinung abzuweichen

Und dise Zeugnus ihm zu gebn,

Das er verdien ein freyes lebn.

PTOLOMÄUS.

Diß wird man nimmermehr erzwingen,

Es ist villmehr darauf zu tringen,

Das, wie der meiste theil begehrt,

Das Urthl baldt geschlossen werdt.

Der böswicht hat das zihl getroffen,

Und seinen todt jezt schon erloffen,

Das Creuz wirdt ihm an seinen lebn

Anheut den lezten abtrukh gebn.

SALOMON.

Mein wunsch ist längsten schon geschehen,

Ihn baldt an seinen Creuz zu sehen,

Dan dises ist der rechte thron

Vor einen solchen gottes sohn.

Mich kan nur dises wunder nemmen,

Das jemand sich nicht will bequemmen,

Zu straffen, da doch disen todt

Erfordern, Kayser, landt, und gott.

AMOS.

Wan sich sein leben solt erstreken,

So wurden tausendt Creuz nicht kleken,

Bis man ein solche Missethatt

Nach den Verdienst gerochen hat.

Vor einen aufgeworffnen König

Ist ja nur ein Creuz vill zu wenig,

Doch heffte man ihn baldt daran,

Und straffe, wie man straffen kan.

REBI.

Diß ist auch hier mein wunsch, und willen

Die Rach nur schleinig zu erfüllen,

Weill er doch von gesamten Rhat

Kein freyheit mehr zu hoffen hat.

Der todt kan ihn von seinen nöthen

Und auf der weldt sonst nichts errötten.

So folget von sich selbst der schlus,

Das er ohn anstandt sterben mus.[165]

CAYPHAS.

Was nun der meisten stimm benennet,

Hat man das Creuz ihm zuerkennet

Auf disem Grund verfasse dich


Ad Pilatum.


Und nach dem Recht das Urtheil sprich.

PILATUS ad Christum.

Wirst du dich also selbsten hassen,

Und schweigend diß geschehen lassen?


Christus schweiget.


ANNAS.

Was soll er reden ohne frucht?

Er ist doch schon zum todt verflucht.

PILATUS.

Kan also bey geschechnen sachen

Nicht mehr vor deine rettung wachen.

Obwohl mir nicht verborgen ist

Das du die unschuldt selbsten bist.


Zu denen Juden.


Weil ihr das Urtheil dan erzwinget,


Zu denen soldaten.


Ihn vor mein haus geschlossen bringet.

Hier die 2 schächer auch zugleich,

Dan sie verdienen disen streich. – – –


Stehen auf von dem Rhat, wird zu geschlossen. Und das haus Pilati indessen bereithet.


Barrabas lasset frey von banden,

Weill ihm der Rhat diß zugestanden,

Dan weill die Unschuld leyden mus,

Verdient das laster keine buß.


Sie gehen ab mit Christo und denen schächeren. Zum Barrabas.


Geh also frey von deinen ketten,

Doch thue diß landt nicht mehr betretten. – –


Barrabas will sich bedanken, Pilatus aber weißt ihm von sich ab.


Von mir verdienst du keine gnad

Bedankh dich bey dem Juden Rhat.

BARRABAS.

So lang ich werde sein im leben,

Das ihr mir auf das neu gegeben[166]

Werd ich erkennen dise huldt,

Und stätts bereuen meine schuldt.

PILATUS zu denen Juden.

Indessen kan doch ich nicht schweigen,

Und mus euch euren unfug zeigen,

Weill ihr von mir ein sach begehrt,

Die mir nur das gewissen schwärt.

Ich weis, das Jesus ohn Verbrechen,

Nur hasß, und Neyd an ihm sich rächen.

Ihr selbsten euch hier schämen sollt.

Wan ihr die Wahrheit reden wollt.

Und doch soll ich in meinen nammen

Von euch gezwungen ihn verdammen

Ist dises nicht ein bluth gericht,

So mir das urtheil selbsten spricht?

Ich werd auch offne zeugnuß geben,

Das ihr, nicht ich ihm nemm das leben,

An diser ungerechten pein

Will ich, und mag nicht schuldig sein.

ANNAS.

Du kanst mit recht dich nicht beklagen,

Die ganze schuldt lasß uns nur tragen,

Wan jedoch dises eine schuldt,

Das man das laster nicht gedult,

Sollst du destwegn ein anstoß leyden,

So wohl bey Juden, als bey heyden,

So glaub das noch im Rhat ein Mann,

Der deinen schlus verfechten kan.

PILATUS.

Auf euer worth will ich dan lassen

Das Urtheil nach gebühr verfassen,

Man steckh sogleich in meinem haus

Den mir verhaßten Bluth-fahn aus.

Damit sodan das Volckh auch wisse,

Das dises werckh der todt beschlüße,

Geb man auch das gewöhnlich loos

Sogleich durch den trompeten stoß.


Gehet ab.


REBI.

Ich will mich dan zur Reis bequemmen,

Hiemit von euch mein Urlaub nemmen,

Weill man begirig, und sehr hart

In Galliläen auf mich warth.[167]

CAYPHAS.

Dein ankunfft hat uns sehr gefallen,

Nun hast du wissenschafft von allen,

Erzehl sodan der Priesterschafft,

Wie man allhier den böswicht strafft.


Gehen ab.


REBI.

Das kostet schwizen, und bewerben,

Bis endlich mus die unschuld sterben,

Die Juden hab ich so verblendt,

Das sie sich selbsten nicht erkennt.

Sie wollten umb den Neyd nichts wissen,

Und ich war immer doch beflissen,

Sie mit deß Richters herzen leyd

Zu stärken in der grausamkeit.

Ich werd doch nicht von hinnen gehen,

Unsichtbar bey dem Urthl stehen,

Damit was etwan noch geschicht,

Dem Lucifer mit grund bericht.

Es hat doch alls nach wunsch gelungen

Obwohl ich schwärlich durchgetrungen,

Und eben diß erhebt mein ehr,

Die sonsten nicht so trefflich wär.


Gehet ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 160-168.
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