Achter auftritt

[168] Pilatus. Der Schreiber. Alle Juden.

Man stoßt innenher in etlichen orthen in die trompeten. Der Schlus wird aufgezogen, wo also in der Mitten das haus Pilati, und diser mit seinem Schreiber in der höche auf einer Altonnen an welcher der bluth-fahn ausgesteckt zu sehen. Das Volckh lauffet von allen Seithen zu, entlich erscheinet der ganze Rhat, und auch die Römische wacht, mit dem gefangenen Christo: und denen zweyen schächeren, welche sie vor das haus führen.


PILATUS.

Ihr Juden, die ich sonders nenne,

Hört, das ich offentlich bekenne,

Hier vor dem Volckh, und vor dem Rhat,

Das Jesus nichts verbrochen hat.

Womit ich ihm in meinen Nahmen,

Hätt solln zu dem Creuz verdammen,

Das also dises bluth gericht

Nur allenthalbn aus zwang geschicht.[168]

Die Kläger konnen also sehen,

Wie sie mit ihrem grimm bestehen,

Ich nimm hieran kein schuld auf mich,

Und diß bekenn ich offentlich.

Mus ich unschuldigs bluth vergießen,

So werden sie das urtl bießen,

Dan der Beklagte schweigt nur still,

Und scheint das er selbst leyden will.

ALLE.

Sein bluth geh über uns, nicht minder

Auch über unserer kindern kinder.

PILATUS.

Wohlan, der schlus ist schon gemacht,

So hört, was man zum endt gebracht.


Der Schreiber lißt.


URTL. Des grosmächtigisten, und Unüberwindlichsten Kayser Tiberii, Unsrers allerseiths gnädigisten Kaysers, und herrns, allezeith mehreren des Reichs der zeith bestellter Richter, und land Pfleger zu Jerusalem, und in Judäa. Ich Pontius Pilatus mache kund, und zu wissen jedermaniglich: demnach uns Jesus v. Nazareth von denen hochen Priesteren, und gesamten Jüdischen Volckh gerichtlich ist vorgestellt, und in villen stükhen beklagt worden; Insonderheit aber, das er unangesehen von armen Elteren gebohren, und er ein Zimmermanns sohn, sich zum König der Juden aufgeworffen, ja sogar zu gottes sohn sich erkläret, den templ Salomons in einen tag abzubrechen, und innerhalb 3 tagen widerum aufzubauen betrohet, ein neues gesaz offentlich eingefihret, das Volckh bethöret, und an sich gezohen, dem Kayser den Zins zu geben verbotten, das gemeine Volckh aufrührisch gemacht, und dergleichen höchst straffbahre Verbrechen mehrer verübet habe! Als haben wür nach tragender ambts pflicht disen Dingen fleißig nachgeforschet, ihn darüber angehört, und deren einberichten klagen Beschaffenheit in Reiffliche überlegung genommen. Derowegen dan dem form der Rechten gemäsß erkennen, und verordnen wür, das er Jesus von Nazareth zur schedlstatt hinaus geführet, allda nackendt, und blos an ein Creuz angenaglet, mit, und zwischen denen zweyen Mörderen Dismas, und Jesmas solle aufgehängt, und solchergestalten von dem leben zum todt hingericht werden, mit dem ferneren Zu saz das er sein Creuz selbsten zu der Richt statt hinaus tragen solle. Zu unwiderrufflichen Urtheil dessen brechen wür den gerichts staab, über ihne,[169] und ist also dises Urtheil zu jedermännlichen Bericht publicieret worden. Geschehen zu Jerusalem unter der Regirung Meines allergnädigsten Kaysers Tiberii im 183 Jahr.

PILATUS.

Das Urtheil ist nunmehr vollendt,

Ich brich den staab, und wasch die händ.


Waschet die händt.


An disen bluth, das ihr vergießet,

Bin ich unschuldig, dan es fließet

Aus einer quell die himmel rein,

Von keinen laster trib kan sein.

Führt ihn dan forth ans Creuz zu hefften,

Doch stund es noch in meinen kräfften

So soll der heutig sonnen schein

Nicht mir, und ihm so traurig sein.

CAYPHAS.

Du hast gerichtet, wie du sollen,

Umb was wür dir nun danken wollen,

Wür haben andrest nicht gekönnt,

Weil das gesaz ihn schuldig nennt.

Laßt uns sodan zum endtzweckh trachten,

Und ohn Verzug diß opfer schlachten,

Das sich die Rach gewidmet hat,

ALLE.

Zu schedlstatt! Zur schedlstatt!


Gehen ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 168-170.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon