Vierter auftritt

[186] Der Schreiber Pilati mit etwelchen Soldaten zu denen Vorigen.


SCHREIBER.

Halt ein! es soll ein jeder lesen,

Wer diser große mann gewesen.

Pilatus gab mir das geschäfft,

Das an das Creuz den titul hefft.

Aus disen wird ein jeder sehen

Ob ihm wohl nach dem Recht geschehen.


Er hefftet den titul oben an das Creuz.


RABBI.

Es ist kein Zweifl: doch ist besser,

Und dises böswichts schmach noch größer,

Wan auch das ganze Volckh hier list,

Warumen er gecreuzigt ist.

SCHREIBER.

Nun fahret forth ihn zu erheben,

Die beyde schächer stellt darneben,

Wie euch des Urthels inhalt weißt,

Und nach gebühr vollziehen heist.

MOMUS sie richten das Creuz auf.

Kommt also mit gesamten händen

Die schönste arbeith zu vollenden.[186]

RABBI.

Sein angesicht khert nach der statt,

Damit er sie in augen hat.

Und sicht als könig aller orthen,

Wie man ihm unterthänig worden.

COSMUS.

Das Creuz nunmehro sinken laßt,

Weill es die gruben schon gefaßt.

AMOS.

Nun kan er thuen nach sein gefallen,

Wie er sich offtmahls pflegt zu brahlen,

Das, baldt er nur erhebt sein soll,

Er alles an sich ziehen woll.


Der Schreiber gehet ab.


HAUBTMANN.

Nun mus, wie Rechtens vorgenommen,

Die Reih auch an die Mörder kommen.

Macht nur geschwind, und saumet nicht,

Damit ein baldes endt geschicht.


Die henckers knecht hefften indessen die schächer an ihre Creuz, und stellen sie auch auf, doch also still, das die redende Personen nicht verhindert werden.


CACUS.

Sie werden sich glückhselig schäzen

Wan wür sie ihm zur seithen sezen.

Dan weill er sagt, er sey gott gleich,

So nimmt er sie mit in sein Reich.

CAIPHAS.

Wan du dan gottes sohn zu nennen,

Und auch vor disen zu erkennen,

So steige nun herab zu mir,

Zeig deine stärckh, so glauben wür.

NATHAN.

Nun kanst aus deiner Canzl lehren,

Wür werden dir mit lust zu hören,

RABBI.

Er leydt in ein so andren noth

Und ist ein tumer oxen gott.

AMOS sicht eine Zeith den titl an.

Wie? les ich etwan recht, und sehe,

Was auf dem Creuz verzeichnet stehe?[187]

Was hat Pilatus hier gethan?

Das man ihm nicht gut heißen kan.

RABI leset in der still.

Die schrifft gefahlt mir nicht, destwegen

Steht ihme zu, sie auszulegen.

Was ist, das hier geschriben steht,

Und euch so sehr zu herzen geht?

Ich will vom Pfleger diß nicht hoffen,

Das hier der Juden ehr getroffen,

JESUS NAZARENUS KÖNIG DER JUDEN.

O weith ist dise sach gefehlt,

Die uns nur schandt und spoth vorstellt,

Dan keinen König wür verehren

Als nur den Kayser unsren herren,

Ihr Amos, Rabbi, gehet hin,

Zum Pfleger, und befraget ihn,

Was dise wörther wollen sagen,

Die er am Creuz hat angeschlagen,

Sagt ihm beynebn, das dises blath

Vill uns zum Nachtheil in sich hat.

Daher thue unser bitt ergehen,

Es mechte durch ihn noch geschehen,

Das dise schrifft so uns beschwehrt

In kurzen nur verändret werd.

Die haubtsach könne dannoch bleiben,

Er mecht nur diß allein nicht schreiben,

Das der Mensch unser König sey,

Sondern er mächte sezen bey

Das er für den sich ausgegeben,

Und dan durch disß verwürkt das leben.

So man ihm auf der schedlstatt

Mit fug, und recht benommen hat.

AMOS.

Wür haben deinen willn vernommen,

RABBI.

Und eylen selben nachzukommen.

CAYPHAS.

Sobaldt ihr dises habt vollbracht,

Ist alles trefflich ausgemacht.


Gehen ab.

NB. Die Juden, und Henckers knecht müssen mit Creuzigung der schacher bis hieher in ihrer arbeith beschäfftiget sein.
[188]

CACUS.

Nun ist die ganze sach geschehen,

Weill alle Creuz jezt aufrecht stehen.

NATHAN.

Es zeigt ein jeder seinen Mann,

Doch disem stehts am besten an.


Ad Christum.


COSMUS.

Wan einmahl ist der feindt geschlagen,

Sucht man ein beuth darvon zu tragen.

Wür haben zwahr allhier sein kleyd

Doch wem aus uns trifft dise beuth?

MOMUS.

Ich will, und kan so leichter maßen

Hier meinen theil nicht fahren lassen,

Ich hab so vill gethan als ihr

Sodan, was euch, gebührt auch mir.

JANUS.

Wür haben alle gleich gekämpfet

Und dises böswichts muth gedempfet.

So ist die beuth dan allgemein,

Und jeder mus befridigt sein.

CACUS betrachtet den Rockh.

Wan wür dan wolln den Zanckh vermeyden,

So müssen wür den rockh zerschneiden,

Und diß zu thuen wär sünd, und schad,

Dan er hat niergendts eine naad.

NATHAN.

So ist kein mittl zu ersinnen,

Als durch das loos ihn zu gewinnen,

Wollt ihr dan sein von Zancken frey,

Se werfft darum:

ALLE 4.

Es bleibt darbey.


Sie breitten den Rockh auf der erden aus, und wirfflen darauf.


JANUS.

Laßt uns nur hier den rockh aus breitten,

Umb aufzuheben ferners streitten.

Hier seind die wirffl, werfft geschwindt,

Der mehrste dises kleyd gewinnt.[189]

CACUS.

O glückh! o glükh! mich nicht betriege,

Und mich mit diser beuth begnüge, – – –


Er wirfft.


JANUS lacht.

O wer nicht sicht der ist stockh blindt,

Du bist schon der nicht, der gewinnt


Ad Christum mit denen wirfflen in der handt.


Jezt lasse deine gottheit blicken,

Und thue den wirfflen augen schiken.

Ich meine das ich dise gaab

Umb dich gar wohl verdienet hab. – – –


Wirfft.


Virzehn ist schon gut getroffen,

COSMUS.

Was hab dan also ich zu hoffen – – –


Wirfft.


Achzehn augn der wirffl zeigt

Verhoff das glückh sey mir geneigt.

MOMUS wirfft die wirffl hinweg.

Ich mächt darum mich nicht mehr scheren,

Der Rockh hat also seinen herren,

Wer soll nach disen fezen fragn?

Den ein so dummer lump getragn?

CHRISTUS.

O Vatter in dem himmels zinnen,

Ich bitte dich, verzeihe ihnen.

Vergibe ihnen ihre sindt,

Sie wissen nicht, wie sie erblindt.

HAUBTMANN.

Diß ist zu vill: nun mus ich brechen,

Und aus dem grund des herzens sprechen.

Man denkh, und rede, was man will,

Ich bleib bey dem, das ist zu vill.

Betrachte man, was er gelitten,

Wie haß, und neyd auf ihn gestritten.

Sech man nur seine wunden an,

Und zehl sie, wer sie zehlen kan.

Kunt wohl der grausamkeit beginnen

Ein größre Marter noch ersinnen?[190]

Als diser man im höchsten grad

Erlitten, und erdultet hat.

Da so vill ihm das zeignuß geben,

Das ohne schuldt sein ganzes leben,

Verlohr er doch kein worth zur Rach,

Da man ihm vor das Urthl sprach.

Ja mitten in den todtes schmerzen

Bitt er anjezt von ganzen herzen,

Vor seine feindt, und sorgt allein,

Das ihnen mecht verzihen sein.

Ein purer Mensch kan diß nicht üeben,

Kan seine Mörder so nicht lieben,

An dem sech ich was höchers an,

Der leyden, und verzeihen kan.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 186-191.
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