Dritter auftritt

[179] Joannes. Maria. Die Vorige. Veronica. Magdalena. 4 Henkers knecht.


JOANNES.

Nun seind wür schon auf jener straßen,

Die dir dein kind wird sehen lassen,

Dan das entsezlich Mordtgeschrey

Zeigt, das es in der nache sey.


Sie gehen heraus bey der lezten Sceen linkher handt: zu vor schreyen, tumultuiren, die Juden hinter dem Schlus.


MARIA.

Ach was für angst, und todtes schmerzen

Tringt mir auf einmahl zu dem herzen?

ALLE innenher.

Nur forth mit ihm zur schedlstatt

Er sterb, wie ers verdienet hat.

MAGDALENA.

Es will diß unverdiente rächen

Mir gleichfahls meine glider brechen,

O großer gott! was vor ein schlus

Das so die unschuld leyden mus.

JOANNES die Juden kommen mit Christo heraus bey der lezten Sceen rechter seiths. Der schlus wird eroffnet, inner welchen das orth der Creuzigung ist.

Der zug ist würckhlich hier zugegen.[179]

VERONICA.

Wen dise wuth nicht soll bewegen,

Der ist gebildt aus stein, und erz,

Der hat ein wahres tyger herz.

HAUBTMANN Christus fahlt.

Halt ein, wür müssen gleich wohl sehen,

Das ihm die kräfften nicht entgehen.

Dan diser harth, und schwäre fahl

Geschicht jezt schon das 3te mahl.


Sie heben ihn auf, und sezen ihn auf das Creuz, umb etwas auszuruhen.


MARIA.

Hilff himmel! was mus ich erbliken,

In disem wuth, und Mörder striken?

Ich hab als menschen ihn gebohrn,

Wie hat er sein gestalt verlohrn?


ad Christum.


O Jesu! ach! in wenig stunden

Wie hat man deinen leib geschunden?

Und dannoch ruht der hencker nicht,

Bis dir das Creuz dein leben bricht.

VERONICA.

Wer hat gnug zäher deine peinen,

O Meister! sattsam zu beweinen?

Du weist, mein schmerz ist ungemein,

Dan du sichst mir ins herz hinein.

Ach kunt ich dir mein herz, und leben!

In deinen schweis ein labung geben.

Nemm hin diß tuch, und trikh dich ab,

Weill ich jedoch nichts anders hab.


Christus nimbt das schweis tuech, und trüknet sich ab.


Der dienst ist gring, so dir geschehen,

Doch wollst du meinen willn ansehen,

Ich wär bereith o herr! und gott

Vor dich zu gehen in den todt.

CHRISTUS.

Nemm hin denn tuech, ich will es schenken

Dir und der weldt zum-angedenken,

VERONICA.

Ich küsse hier dein heiligs bluth,

Und ehr es als mein höchstes guth.


Sie macht es auf, erschrickt, und spricht auch zu denen Juden weinendt.
[180]

Secht wunder! wan ihr doch wollt sehen,

Was in dem augenblickh geschehen,

Seht hier die göttliche gestallt,

So Jesus in diß tuech gemahlt.

Ach heylandt! wer kan ohn erschriken

Dein angesicht allhier erbliken,

Wer kan aus disen nicht ersehn,

Was übls durch die sünd geschehn?

MAGDALENA weinendt.

Ja ja! all meine müssethatten

Thuet diser spigl mir verrathen,

Wie hat dich heyligs angesicht

Nicht deine bosheit zu gericht?

MARIA.

Ach liebster Sohn! laß aus erbarmen

Dich deine Mutter noch umarmen.

Ach! was hat dir die grausamkeit

Nicht vor ein bluth baad zu bereith?

JOANNES.

Der schönste aus den menschen kindren

Ist nunmehr gleich den größten sindren,

Bestrafft, und also wunden voll,

Das man ihm kaum erkennen soll.

MARIA.

Mein Jesu was must du nicht leyden!

VERONICA.

O unerhörte bitterkeiten!

JOANNES.

So gehst du meister in den todt?

MAGDALENA.

Ach! mich entseelet deine noth.

CHRISTUS.

Umsonst ist euer leyd, und sennen,

Die über mich vergoßne thrännen,

Seindt diser zeiten nicht bequem

Ihr töchter von Jerusalem.

Weinnt über euch, wie dan nicht minder

Weinnt gleich fahls über eure kinder.

Weill dise mein erlösungs pein

Wird villen zum Verderben sein.[181]

Es werden kommen täg auf erden,

Wo manche sünder sagen werden,

Der leib ist seelig in der that,

Der keine frucht gebohren hat.

Sie werden unter Leyd, und klagen

Sodan zu denen bergen sagen,

Fahlt über uns, schlagt uns zu todt,

Erlöst uns aus der jammers noth.

LABAN.

Hier thuen die worth nicht mehr verfangen,

Wür müssen zu dem endt gelangen,

Herr Haubtmann es ist höchste Zeith

Das man zu der Vollziehung schreitt.

HAUBTMANN.

Wür haben schon das orth erlanget,

Wo jener seinen lohn empfanget,

Der wegn verübter übl thatt

Die Todtes straff verdienet hat.

Macht alles nur bereith, und fertig

Was man zur Creuzigung gewärtig,

Sodan wird dise lezte pein

In kurzer Zeith geschehen sein.

COSMUS sie nemmen das Creuz, legen es nider, bohren die löcher, machen auch die gruben, in welche man es hineinsteket.

Greifft zu ihr brüder!

JANUS.

Habts den schlögl?

Wo ist der bohrer, wo die nägl?

CACUS.

In disem korb ist alles hier.

MOMUS.

Komm her den bohrer reiche mir.

AMOS.

Nun nun thut man dir den thron bereithen,

Dein hochheit mehrer auszubreitten.

Du wirst baldt herschen in dem Reich,

Das dir, und allen mördern geleich.[182]

RABBI.

Thue dich mit disem tranckh vor laben,

Du must zum herschen kräfften haben,

Förcht keinen Rausch von disen wein,

Er wird gewis so süeß nicht sein.

CHRISTUS unter diser redt geschihet alles obige ohne Unterlasß, doch also still, das Christus in seiner redt nicht gestörret, und von denen anwesenden verstanden wird.

Mein Volckh! thuest du nicht mehr gedenken,

Der wüesten, wo ich dich thatt träncken,

Weill du erlegn vor durst, und hiz,

Aus einer harten felsen riz?

Vor dises wohl, und wunderzeichen,

Thuest du mir gall, und essig reichen,

Ich trinckh es doch, und bring es dir,

Wan du mich liebst, so trinkh mit mir.

Wan du mich liebst, folg meinen schritten,

Leydt, weill auch ich vor dich gelitten,

Du komst zwahr anfangs hart daran,

Die lieb doch alls verkochen kan.

Sech, wie ich mich dem todt ergeben,

Aus lieb, damit du sollest leben

Ich hab der weldt nur guts gethan

Seh aber ihren danckh, und lohn.

Nichts anders ist von ihr zu hoffen,

Doch hast das rechte zihl getroffen,

Wan du ihr falsche duckh nicht achtst

Und nur dadurch zum himmel trachst.

Ich acht kein pein, kein todt, noch schmerzen

Leydt alles mit geneugten herzen

Nur eines ist, was mich doch quällt

Von der so undankhbahren weldt.

Das nemblich da mein bluth vergüße

Und einzig fremde schulden büße.

So viller menschen seelen heyl

Bleib umb den schnöden wollust feil.

Ich sorg, ich wacht, ich werd jezt sterben,

Damit der Mensch nicht soll verderben,

Doch alls umsonst, es ist kein frid

Die höll macht dannoch ihren schnitt.

Ich wollt gern tausendt todt ausstehen,

Wan dises nur nicht thätt geschehen,

Allein ihr bosheit ist so gros,

Ihr willn gibt ihnen selbst den stoß.[183]

Der hirth sucht zwahr das best der schaffen,

Doch seind nur dise zu bestraffen,

Wan sie ohnwürdig aller huldt:

Sie seindt verlohrn: er ohne schuldt.

Die Adams schuld ich hier bezahle,

Weill ich ein Mittler bin für alle,

Bey meinem Vatter, und ein freindt

Der jenen die es würdig seindt.

Die also freund des Creuz sich zeigen

Und mit mir disen baum besteigen,

Denen, weill ich jezt scheiden mus

Gib ich den lezten abschidts kus.

1. HENCKERS KNECHT.

Nun weis ich nicht, was ab soll gehen.

Als ihn nur baldt am Creuz zu sehen.

Herunter also mit dem kleyd,


Die 3 andere.

Sie reißen ihm das kleyd von dem leib.


Nur her, das ist die lezte freyd.

2. HENCKERS KNECHT.

Wie? nicht so grob: gedenckt ein wenig,

Das er der große Judenkönig.

3. HENCKERS KNECHT.

Secht, wie allhier in purpur steht

Sein so zerfezte Mayestett.

4. HENCKERS KNECHT.

Nun tritt herbey nach dein Verlangen

Auf den verdienten Thron zu prangen.

CHRISTUS.

Ja ja mein Creuz ganz williglich

Mit beyden handt umarm ich dich.

Sey mir zu tausendtmahl willkommen,

Weill ich mir also vorgenommen

Durch dich, wie alle weldt wird sehn

In meine glori einzugehn.

Ich kan dich wohl mein ruh bett nennen,

Nach dem mich so lang thatte sennen.

Da ich schon 33 jahr

In stätter sorg ermiedet war.[184]

Nun wollen wür das werkh vollenden,

Zu dem mich thatt mein Vatter senden,

Du bist nunmehro mein Altar,

Und ich gib mich zum opfer dar.

Ich will mit meinen bluth und thränen,

Die ganze weldt mit gott versöhnen,

Durch mich wird selbe ausgelöst,

Weill sie bis her verpfändt gewest.


Er sezt sich auf das Creuz.


Mein Vatter! sech mich deinen wüllen

Bereiths auf disen Creuz erfüllen,

Ich stürb, und durch den todt bezahl

Den unklickhselgen Adams fahl.

NATHAN.

Nun bindet ihn an händt und füßen


Legen ihm strickh an, und ziehen daran.


Weill wür die glider strecken müssen.

JANUS.

Zieht Brüder, und mit nichten weicht,

Bis das ihr all das loch erreicht.

MOMUS.

Noch mehrer: sonders bey den armen

Laßt euch den böswicht nicht erbarmen.

COSMUS hefftet ihn an das Creuz die rechte handt. Cacus die linke.

Nun ist es recht, den hammer her!

CACUS.

Bey uns ist kein erbarmnuß mehr.

NATHAN.

Secht doch, wie disem armen tropfen,

In seinem leib das herz thuet klopfen.

HAUBTMANN.

Nun mus die angefangne pein

Schon bis zum endt vollzohen sein.

COSMUS.

Wür haben unsren streich vollendet,

NATHAN.

Euch dan zu denen füßen wendet.

JANUS.

Spannt selbe gleichfahls bis zum loch[185]

MOMUS.

Ist nicht genug: ziecht, ziehet noch.

JANUS.

Genug jezt mir den schlägl reichet,

MOMUS.

Schlag bruder bis der hundt erbleichet.

NATHAN.

Ja wohl, er hat noch frischen muth

JANUS.

Jezt khüel ich mich an seinen bluth.

Nun ists geschehen:

HAUBTMANN.

Weill er im leben,

Greifft hurtig an ihn aufzuheben.


Sie wollen ihn aufheben.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 179-186.
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