Dritter auftritt

[200] Longinus zu denen Vorigen.


LONGINUS Achaläus kommt mit ihm zurükh.

Wie? ist das Urtheil schon vollzohen?

NATHAN.

Dem ist kein böswicht mehr entflohen,

So hat Pilatus schon bestimmt

Das man sie von dem Creuz abnimmt.


Die 2 Schacher werden in der still herabgenommen und hinein gezohen.


Doch ist der Mittre auch verschiden,

HAUBTMANN.

Ja er entschlaffte sanfft in friden.

Und batte umb des Vatters gnad

Die doch kein feind Verdienet hat.

LONGINUS.

So darff man ihm die bein nicht brechen,

Ich will ihm in die seithen stechen,

Wer weist was sein vergoßnes bluth

Uns etwan annoch nuzen thuet: – – –


Er eröffnet Christo die seithen. Das bluth sprizet ihm, wie er vorgibt, in das aug: er trüknet sich ab.
[200]

Das bluth ist noch so starckh geloffen,

Das es mein blindes aug getroffen. – – –

Wie? – großer gott – – Wie? – – glaub ich mir?

– – Wan disem also, hangt allhier

Der wahre gott: ich mus gestehen,

Das wunder, so an mir geschehen,

Diß aug, das schon lang blindt gewest,

Ist von der blindtheit aufgelest.

Bald diser so heyl same brunnen

Auf selbes ist herab gerunnen. – –

Ich sech so gut durch dise gaab,

Als ich jemahls gesehen hab.

Von euch ihr Juden, und auch heyden

Will ich nun mehro gänzlich scheiden,

Weill mich jezt schmerzet diser todt,

Weill ich an ihm erkenne gott.


Kniet nider.


O herr! wie du geheylt mich blinden,

So heyl mich auch von meinen sünden,

Bekam das aug durch dich den schein,

Wird ja das herz nicht minder sein.

Vergib, was ich so schwär gebrochen,

Du hast dich ja mit dem gerochen,

Das dise deine wunder gnad

Mich meines thuns beschämet hat.

Aus meinem aug kan man ersehen,

Wie unrecht dir o herr! geschehen,

Ist niemand sonst, werd ich allein

Ein Zeig, und ein Verkünter sein.

Ich werd mein bosheit stätts bereuen,

Umb dich dardurch zu benedeyen,

Weill du, wie ich nunmehr vergwißt,

Mein heil, und mein erlöser bist.

Es soll kein pein von dir mich trennen,

Ich werd dich meinen gott bekennen,

Wan der Tyrann des Rasens voll,

Auch mein bluth von mir fordern soll.

Durch diß mein bluth will ich bezeugn,

Das Christus mir, und ich im eigen,

Ich geh sodan wo mein begürdt


Stehet auf.


Mich hin zu meinem heylandt führt.


Gehet ab.
[201]

HAUBTMANN.

Ich kan mich hier nicht allermaßen

Vor wunder, und erstaunung fassen,

Weh Juden! euerem geschlecht,

Wan ihr euch selbst nicht widersprecht.


Gehet ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 200-202.
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