Vierter auftritt

[202] Nicodemus. Joseph ab Arimathia. Maria. Magdalena zu denen Vorigen.


NICODEMUS.

Belieb euch Herr diß blath zu lesen,

HAUBTMANN.

Seydt ihr beym Pfleger schon gewesen?

JOSEPH ab Arimathia.

Es wird euch nicht sein unbekant,

Das dises dessen eigne handt. – – –


Lißet in der still.


Was ihr gewollt, ist schon geschehen.


Zu denen Juden.


Ihr könnt nunmehr von hinnen gehen.

Weill, dise leicht wie mans begrabt,

Ihr euch nichts zu besorgen habt:


Die Juden gehen alle ab.

Zu Nicodemus und Joseph.


Was ihr mir hier gebracht zu handen,

Gibt, das man euch hat zugestanden,

Den leichnahm Christi; zeigt sodan

Wie vill die lieb noch würken kan.


Zu denen soldaten.


Ihr aber wachet stätts in waffen,

Umb etwan jene zu bestraffen,

So dises werckh der lezten ehrn

Zu kräncken noch gesinnet wärn.


Die Soldaten postiren sich etwas entfernet aller orthen wacht zu halten.


Nun könnt ihr eure freindtschaffts pflichten

Ohn alle hinternuß verrichten,

Es soll euch störren kein gewalt,

Wan einer gleich im hinterhalt.

NICODEMUS.

Wür seind der obsorg sehr verbunden,

Die wür nunmehr an dir gefunden.[202]

Und schreitten also zu der thatt,

So uns die pflicht gebotten hat.


Sie bereithen sich zur abnemmung.


MAGDALENA welche schon ein zimliche zeith weinendt unter dem Creuz gekniet.

Ach! kunt ich hier bey deinen füßen

In einen thränen bach zerfließen.

O Jesu! o mein trost, und leben!

Kunt ich mit dir den geist aufgeben!

Ich fühl in mein gekränckten herzen

Ein solche lieb, ein solchen schmerzen,

Das ich von disen stunden an,

Ohn dich nicht länger leben kan.


Bringen eine leither.


JOSEPH ab Arimathia.

Verzeihe! das wür deinen thränen

Nicht mehrer Raum gestatten können.

Weich nur, bis mit gesammter Macht

Wür ihn von Creuz herabgebracht.

MAGDALENA küsset das Creuz.

O heyligs Creuz o Edler stammen,

Der in mir nährt die liebes flammen,

So hier nach ausgelöschter sindt

In mir mein heylandt angezindt.


Gehet hinweg zu Maria, und Johannes.


HAUBTMANN.

Wan euch ein Beyhilff ist vonnöthen,

Will ich sie geben ohngebetten,

Gleich sollen etlich männer gehn,

Die euch zu euren diensten stehen.

NICODEMUS.

Wür danken dir vor deinen willen,

Laß uns nur unsre pflicht erfüllen,


Sie nehmen ihn herunter.


JOSEPH.

Wer hefftig liebt, hat offt ein sterkh,

Die ihm erkleckt vor wunderwerkh.

HAUBTMANN.

Ich will sodan in euren lieben

Euch im geringsten nicht betrieben,

O herr! gib mir doch dise gnad,

Das dich mein herz so liebwerth hat.[203]

Ich weis, und reut mich mein Verfahren;

Da hätt ich sollen dich bewahren,

Da die verfluchte Juden Rott

Dich aufgesucht zu deinen todt.

Allein ich war, wie sie verblendet,

Und hab mit ihnen dich geschändet,

Weill ich noch damahls nicht erkannt

Zu welchem end zu warst gesandt.

Nun aber bin ich überwisen,

(Darum du auch von mir geprisen)

Das du der wahre Jesus bist,

So aller welt Erlöser ist.

MARIA gleichsamm aus einer ohnmacht sich erhollend.

Wie? leb ich noch ohn meinen leben?

Wer wird mir solches wider geben?

Wer wird mir gebn mein göttlichs kind?

Das nun geschlachtet vor die sindt?

JOANNES.

Du weißt, o Mutter! sein Ver sprechen,

Wan wird der dritte tag anbrechen,

Wirst du mit größter herzens freyd

Ihn sehn in der Unsterblichkeit.

MARIA.

Ach! sein so marter volles sterben,

Thuet mich noch alles trosts enterben,

Weill ich der Juden ungebihr

Noch allzu sehr empfind in mir.

NICODEMUS.

Nun ist es allgemach geschehen,

MARIA sezt sich unter das Creuz auf einen dahin gebrachten stockh. Christus wird ihr in die schoos gelegt.

Ach laßt mich meinen Jesus sehen,

Kommt leget ihm in jene Schoos

Aus der das heil der weldt entsproß.

– – – –

Ich wardt gebenedeyet

Mit disem leib vor allen,

Nun aber mit mehr leyd

Als alle überfallen.[204]

Wie kan ich disen todt

Nach würdigkeit beklagen,

Da ihn als wahren gott

Neun Monath lang getragen.

Wohin mein aug sich wendt

Wird nirgendt was gefunden,

An haubt, an füß, und händt

An ganzen leib als wunden.

Ach nägl, ach! wie schwär

Wie harth habt ihr durchbrochen,

Die händt und füeß: o speer!

Wie tieff hast du gestochen.

Du öffnest zwahr die thür

Zu den schon todten herzen,

Dein wunden brachte mir

Doch wahren todtes schmerzen.

Sech mensch! sein eignes kindt

Ließ gott so grausamm würgen,

Weill er für deine sindt

Sich selbst gestellt zu bürgen.

Du großer sinden greul

Bist ursach aller wunden,

Du schießt die todtes pfeil

Die Jesus hat empfunden.

Du hast die schuld gemacht

Die er vor dich bezahlet,

Das dich die ewig nacht

Nicht einstens überfallet.

So hört ihr menschen dan

Des heylandts lezten willen,

Hört meine bitt auch an,

so würdig zu erfillen.

Ich bitt, durch all mein schmerz,

Durch alle seine wunden,

Durch mein betrübtes herz

Und schmerzens volle stunden.

Betrachtet seine lieb

Sein unaussprechlichs leyden,

Und wie ich mich betrüeb,

Tragt mitleyd mit uns Beyden.


Der schlus wird zugezohen.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 202-205.
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