Dritter auftritt

[224] Maria Jacobe. Maria Salome. Maria Magdalene. 2. Engl.


MARIA JACOBE wirdt auf gezohen, und der stein ligt abgenommen von dem grab auf der erden, welches doch die 3 frauen anfangs nicht beowachten, als welche bey der ersten Sceen heraus, und erst dem grab zu gehen.

Die Salbung, so wür vorgenommen

Wird uns doch schwär zu statten kommen,[224]

Dan abzuwelzen disen stein

Wirdt über unsre Cräfften sein.

MARIA SALOME.

Diß kamm mir ewenfahls zu sinnen,

Doch kan ein heiße lieb gewinnen,

Was man mit nichten hätt gemeint,

Und über alle kräfften scheint.

MAGDALENE.

An disen hab ich keine sorgen,

Die lieb wird uns schon Cräfften borgen,

Dan gott, so dises werckh begehrt,

Ist schon der müh, und arbeit werth.

Es ist zwahr anfangs schon geschehen,

Baldt man mit ihm zu grab thätt gehen,

Doch, wan mans nunmehr widerhollt,

Geschicht, was Gott geschehen sollt.

MARIA JACOBE.

Ich bin zu friden, meinetwegen

Kan man sogleich die handt anlegen.


Sichet sich umb, und erblikt das eröffnete grab.


Secht aber, was soll dises sein?

Das grab ist oben ohne stein.

MARIA SALOME.

Hilff himmel! Wie? das grab steht offen?

MAGDALENA.

Ach Gott! was ist aus dem zu hoffen?

MARIA JACOBE.

So ist es: und der leib ist hin

Ich sich nichts, als das tuech darin.


Gehet hinzu schauet hinein.


MAGDALENA.

Wie? dises kan ich ja nicht glauben,

Wer sollt wohl hier den leichnamm rauben?


Gehet hinzue, sichet auch hinein.


Doch ist es also: ach! wie bebt

Das herz, das halb nur in mir lebt.

MARIA SALOME.

Villeicht feindts doch vergebne sorgen,

Und ligt der leichnam nur verborgen,

Ja von der leinwath so bedekt,

Das euch nur die Verwirrung schröckt.


Sihet auch in das grab.
[225]

Doch nein, sie ligt ohnausgebreittet,

Und unsren augen clar andeutet

Das Jesu leib in disen grab

Nicht mehr sein alte Ruh statt hab.

MAGDALENA.

Ach Meister! wo bist du zu finden?

Gedenckst villeicht noch meiner sinden.

Und willst nicht, was ich hier beginn

Weill ich des dienst nicht würdig bin.

MARIA SALOME.

O herr! Du kanst aus unsren thrennen

Die wahre treu, und lieb erkennen,

Du sichst es, wo du immer bist,

Das alls in uns dir danckhbar ist.

MARIA JACOBE.

So seind wür dan umsonst geloffen.

Und haben keinen trost zu hoffen,

Den wür durch unsren dienst erwarth?

Ach Jesu! ach! das ist zu harth.

DER ERSTE ENGL sie erschröcken, und lauffen vor den schlus heraus, weill sie ohngefehr 2 Engl an ihrer seithen erbliken.

Wie wollt ihr unter todten finden,

Den wür lebendig euch verkindten?

Er ist nicht hier, seydt nur vergwisst,

Weill er schon auferstanden ist.

DER 2TE ENGL.

Gedenckt ihr nicht mehr seiner worthen,

Die er gesprochen selber orthen,

Da er noch außer der gefahr,

Bey euch in Galliläen war?

Es lasse sich der schlus nicht hindren,

Des menschen Sohn müeß denen sindren

Ohnfehlbar werden übergebn,

Damit sie in ans Creuz erhebn.

Doch, wan der 3te tag wird kommen,

Hab er sich gänzlich vorgenommen

(Wie es dan würkhlich schon geschehn)

Von denen todten aufzustehn.

ERSTER ENGL.

Verlasset dan die traurigkeiten,

Und weydet euch vill mehr mit freyden,[226]

Weill Christus selbst den todt besigt,

Und hier nicht mehr begraben ligt.


Wirdt zugezohen.


MAGDALENA.

Ich kan mich kaum vor schrecken fassen,

MARIA SALOME.

Mich haben alle sinn verlassen.

MARIA JACOBE.

Ich wuste nicht mehr wo ich stundt,

Vill minder, das ich reden kunt.

MAGDALENA.

Habt ihr wohl ihre worth vernommen?

MARIA JACOBE.

Sie seindt gewis von himmel kommen,

Dan diß bezeigte ihr gestalt,

Die mich noch in verwundrung halt.

MARIA SALOME.

Sie haben ewen diß gelehret,

Was wür vom Meister selbst gehöret,

Da er uns annoch bey dem lebn

Thätt seiner Ur ständt zeignuß gebn.

MAGDALENA.

Wür können jezt nichts bessers schlichten,

Als die Eilff Jünger zu berichten,

Was sich mit uns hier in der thatt

So unvermuth begeben hat.

MARIA JACOBE.

Ich geh mit freyden sie zu trösten,

MARIA SALOME.

Das glaub ich ewen sey am Besten,

So wird durch allgemeinen schlus

Erörtert, was man glauben mus.


Gehen ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 224-227.
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