Fünfzehnte Szene

[78] Das Schiff am Hafen.

Nauke am Landungssteg geht als Posten hin und, her, in teils zu weitem, teils viel zu kurzem Anzug mit sehr kleinem Kinderkragen.


NAUKE. Auf – ab. Auf – ab. Kehrt! Nauke auf Wache! Was sag ich: Wache? Revolutionsposten! Eine Ehre, Nauke, eine Ehre, das bitt ich mir aus! Das hätt auch niemand gedacht! In dieser Zeit hat jeder Posten den Präsidentenstuhl im Tornister. Präsidentenstuhl? Ein ganz gewöhnlicher Lehnsessel wär mir jetzt lieber. Gähnt. Auf – ab. Auf – ab. Kehrt! Verdammt kalt! Großartige Revolution – und nicht einmal einen Tropfen zu trinken! Aber, aber, aber Nauke! – Schlägt sich auf den Mund, sieht sich um. – wenn das nur niemand gehört hat! Na, wartet nur, wenn ich erst mal dran bin, dann wird ein Fäßchen aufgeschlagen, ein Fäßchen, – mit einem Wort: ein Revolutionsfäßchen! ... Auf – ab. Auf – ab. Ich hoffe doch, so wird's nicht weitergehen, sonst könnt mir die ganze Revolution gestohlen ... Fährt zusammen, sieht sich ängstlich um, klopft sich wieder auf den Mund. Gesegnet sein, natürlich gesegnet sein, Nauke! – Das ist öde hier. Da wird einem so schön gesagt: »Du erwartest die Brüder« – und dann kommt keiner. Nicht einmal die Schwestern, die kleinen Schwestern! Hätt ich nur was zu trinken, dann könnt ich meine Revolutionsrede[78] ebensogut halten wie die andern. Ich glaube, den beliebten Ton treff ich herrlich. In der Art: « ... Brüder, Schwestern, Eure Zukunft liegt auf der Liebe!« Wunderschön! Es geht, es geht, Nauke! Du wirst deinen Weg machen!


Am Hafen vor dem Landungssteg nähern sich Klotz und die Frau.


Quelle:
Ludwig Rubiner: Der Dichter greift in die Politik. Leipzig 1976, S. 78-79.
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