Vierzehnte Szene

[77] Der Mann. Das Kind.


DAS KIND läßt die Schlüssel fallen. Die Mutter läuft in die Keller hinunter. Hörst du, wie sie an den Türen schreit? Ich will mit!

DER MANN. Nein, bleibe hier. Die Mutter will, daß du bei mir bleibst.

DAS KIND. Hörst du, wie sie unten schreien? Ich habe Angst.

DER MANN. Hast du oft Angst?

DAS KIND. Nein, sonst nie.

DER MANN. Du brauchst auch jetzt keine Angst zu haben. Ich bin ja bei dir.

DAS KIND. Du bist aber ein Gefangener!

DER MANN. Nein, nicht mehr! Hörst du, sie haben aufgehört, jetzt ist es ganz still.

DAS KIND. Ich glaube, außer uns beiden ist niemand mehr da.

DER MANN. Mein Kind, das ist die Freiheit.

DAS KIND. Was ist das, die Freiheit?

DER MANN. Die Mutter wird es dir sagen. Nimm die Schlüssel und schließe hier auf.


Das Kind schließt die Zelle auf.


DAS KIND. Führst du mich auch zur Mutter?[77]

DER MANN. Ja, ich führe dich zur Mutter. Nun wirst du bald mit vielen lustigen Menschen spielen, willst du? Wir gehen mit deiner Mutter auf ein ganz großes Schiff, schönes Schiff.

DAS KIND. Ich war noch nie auf einem Schiff.

DER MANN. Nun hier noch den kleinen Schlüssel für die Ketten. Mein Kind, du hast das Wunder gesehen!


Die Ketten fallen ab. – Dunkel.


Quelle:
Ludwig Rubiner: Der Dichter greift in die Politik. Leipzig 1976, S. 77-78.
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