[3] GROSS HEROLD am ersten tag.
Fromm, vest, sürsichtig, eersam herren!
dem höchsten gott vorab zuo eeren,
zuo lob und eer Zürych, diser statt,
die ein verrümpten nammen hat,
zuo nutz und lust ein'r burgerschafft
wend wir mit hilff göttlicher krafft
umb eeren willen und kurtzwyl
üch halten für ein lieblich spil:
b'schaffung der wält uss gottes gwalt,
wie's Bible leert, und das innhalt.
darvon dann Solomon git b'richt
am dritten capitel, da er spricht,
gott hab den menschen bschaffen wysslich,
von ersten uff gemacht onsterblich,
zierlichen, schön, im also glych,
uff das er teilhafft wurd sins rychs,
on mangel das selb möchte niessen,
dur'n tod sin schuld nit müeste büessen.
d'wyl aber 's tods er eigen ist:
im kon es ist uss tüfels list,
uss sinem zorn, ouch nyd und hass,
den er dann treit on underlass
zuo'm meuschen hin, den er hat bracht
von gott, abg'füert in zorn und d' raach,
in welcher er muoss so verderben,
nach gottes zuosag 's tods erstärben,
das im ist g'folget uss der sünd,
die g'erbt ouch band des Adams kind,
geflossen, kon in sines g'schlächt,
das er tödtlich ist worden, knecht,[3]
der dann onstärblich, herr vor was,
von gott gemacht so guot, der maass:
hett er sich nit an d' sünd ergäben:
der mensch hett mögen ewig läben.
sunst muoss er stärben nach sin'r art,
das vor der sünd alls war erspart.
der dingen aller kuntschafft gyt
die heiter erfarnuss diser zyt,
in welcher yeder stärben muoss,
wie gott hat ufg'setzt yedem d' buoss;
also, das kein mensch nit mag läben;
sich muoss er gar dem tod ergäben;
dann keiner nit, der bluot und fleisch,
bein hat, ouch adren, seel und geist:
der muoss dur'n tod zuo aeschen werden,
widerumb verwandlet in die erden;
wie's uss hat gesprochen gottes mund.
das diss spil leert, uns machet kundt,
das yetz ein g'sellschafft in der yl
mit lust uff diss mal üeben wil:
wie gott hab b'schaffen d 'himmel, d' erden,
den menschen g'macht, daruss lon werden;
ouch wie der selb mensch wider gott
hab g'handelt, thon, und sin verbott;
was gott darzuo hab verursacht,
das er die ding uss nüt hat g'macht;
warumb's doch gott hab fürgenommen;
wie yedes zuo sin'r krafft sey kommen,
das kein mensch nit gruntlichen weisst,
er hab dann gnad vom heil'gen geist,
der dise ding mag wol ergründen,
die urteil, radtschläg gottes finden;
wie das bezügt zuo unser zyt
sant Paul, der der ding kuntschafft gyt,
do er dann redt und selber spricht
mit yfrigem hertzen und ernstlich:1
»o wie ein rycher, tieffer schatz[4]
ist die wyssheit, erkantnuss gotts!«
er spricht: »gotts g'richt sind onergrüntlich,
sin wäg und straassen onerforschlich;
wär hat ye 's herren g'müet erkennt?
wär hat sin rädt gefürdret, g'wendt?«
als wölt er sprechen: »niemant nun
wirt das erfaren, dahin kun,
das er gotts urteil leer und g'richt,
on siner gnaden zuoversicht.«
das ouch bezügt Solomon der wyss,
der das ussleit mit grösserem flyss,
do er dann redt und heiter spricht:2
»o herr! gross sind die urteil, g'richt,
din g'heimnuss, radtschläg und d' wyssheit,
dein göttlich wäsen d' ewigkeit!«
das Esaias ouch bezügt,
mit disen Worten kundschafft gyt:3
»wär hat den himmel mit sin'r hand
ermessen ye mit einer spann?
war ist doch g'syn so kluog und wyss,
der allen stuob ermessz mit flyss,
erteil und zell by unser zyt,
der klein und naach, by einandren lyt?
wär ist doch g'syn so g'leert, verwaegen,
der berg, d' tal, bühel hab gewaegen?
in allem, was gott b'schaffen hat,
wär ist, der im hab gen den radt?
wär ist so g'leert g'syn und beläsen,
der g'sähen habe gottes wäsen,
ald sinen geist hab underricht?
wär hat gott g'leert all sine g'richt?
wär ist doch g'syn so alt, betagt,
den gott darumb hab radts gefragt,
do er den menschen wyss wolt machen,
vernünfftig, verstendig in erschaffen?
do im den wäg zeigt selber gott:[5]
wär was, der's im doch wenden wott?
kein volck noch mensch ist nie gewäsen,
der d' krefften gottes hab verwäsen;
dann alle völcker uff der erden,
gen gott nit mögend s' gerechnet werden
in Einer krafft ei'm härli glych,
das anderst mög erzeigen sich,
dann es ist von sin'r zärte wägen.«
drumb mag's kein mensch nit heiter sägen,
erwägen, ergründen gotts ursachen,
warumb er's all's hab wöllen machen,
er sinn im dann nach, der gestalt,
das er's gott lass drinn han den g'walt,
ouch das er krafft hab, gnad so vil,
das er's dem sage, warn er wil,
nit boesen, wandergäben lüten,
die in und sine werck vernüten.
uff das ich wil hie wyb und mann,
ouch jung und alt fast hätten han,
ir wollind och doch lassen stillen,
und züchtig syn umb eeren willen;
hie hoeren zuo dem jungen knaben,
der hoeher d' krafft gott's wirt erhaben,
dann ich hab thon, sagen ursachen
warumb gott d' erd hab wöllen machen;
ouch alle g'schöpfften nach der zal,
einanderen nach, gar überal.
darumb, du knab mit dinem schilt,
das Argument sag, wann du wilt!
EIN JUNGER KNAB spricht das Argument, mit dem schilt.
Demnach der herr und ewig gott
die engel all erschaffen wott
nach sinem willen, unverderblich,
edel, schön, zierlich und onstärblich,
das s' gottes eer sollend erfüllen,
zuo sinem dienst, umb 's menschen willen,
damit sy möchtind han zum theil[6]
fröud, lust in gott, in 's menschen heil,
gotts säligkeit wol möchtind niessen,
und alle hoffart faren liessen:
hat sy ouch gott uss nuten g'macht,
wie es von gott was ewig tracht.
demnach und d' engel aber gott
nit hieltend ir eer und das bott,
das inen selber gott hat gäben;
do mochtend s' nit mer sälig läben,
in dem das s' trachtend über den,
der inen zier und schön' hat gen.
darumb sy gott vom himmel stiess,
in abgrund sy verwysen liess,
in dem ir wonung wurdend lär.
nach dem was gottes will und b'gär,
das er ir'n faal ersetzen wett,
wie's gott ewig fürgnon im hett,
und schuoff den menschen uss der erden;
der solt der selben erben werden
in ewiger fröud und säligkeit,
die gott den englen hat bereit;
in welcher b'schaffung yederman
hie lernen sol und das verstan,
das gott herr ist on end, ewig,
krefftig, darzuo einig, allmächtig;
das dann allein ist die ursach,
warumb er d' himmel, d' erden macht.
warumb gott aber z'ersten hat
g'macht d' erd uss sim fürgäbnen radt,
den menschen aber b'schaffen z'letst,
schön, guot und g'recht, bim aller best:
allein von gott ist darumb b'schehen,
das g'sähen wurd sin ewig fürsähen,
all siner werck der underscheid,
darzuo sin ewige wyssheit,
durch welche alls gott einig weisst,
das lang und kurtz, das minst und gröst,
künfftigs, vergangen, wie's im g'falt;
dann gott in allem hat den g'walt.[7]
das hat in g'reitzt und verursacht,
das er z'erst d' himmel, d' erden macht,
d'wyl gott wol wusst, das wurd zergon
der mensch, ouch nit wurd könden b'ston
in siner gnad und der unschuld;
dardurch er kam um gottes huld.
gott wusst ouch, das der mensch wurd stärben,
by im ouch gnad wol möcht erwerben;
drumb macht er z'ersten diese mass,
die onb'stendig, zergengklich was:
das was die erd; daruss dann gott
des menschen cörpel nemmen wott
zuo letsten und nach allen dingen,
damit gott aus dahin möcht bringen,
uff das, was uss dem einen käm,
des anderen art, natur annäm:
so wie er ward g'non uss der erden,
widerumb köndte z'äschen werden.
warumb gott aber das hab thon,
den menschen sünden, fallen lon,
in überseen und sein gebott:
ist b'scheen, das kennt wurd, glert in gott
sin milte, gnad, barmhertzigkeit,
ouch gottes güet, sanfftmütigkeit,
das er nach sinen g'schöpfften allen,
und er den menschen hat lon fallen,
doz'mal glych seit, hat im versprochen,
der schlangen wurd der kopff zerbrochen,
das ist, dem tüfel wurd sin g'walt
durch gott genommen aller g'stalt.
wie er den menschen arger that
gereitzt, darzuo betrogen hat:
also wolt gott in widerumb
vom tüfel retten, machen frumm,
zum erben nen in sines rych,
in sälig machen ewigklich;
das b'schach, wie er liess hie uff erden
den son gotts mensch geborn werden.
das alls ist bescheen uss gütigkeit,[8]
uss luter gnad, barmhertzigkeit,
die man in gott thuot gruntlich finden,
so man gotts werck thuot wol ergründen,
uff das hat gott im gen das läben,
das g'schenckt dem menschen und vergäben
in g'macht zum herren über alls,
wie's gott erschaffen hat domals,
im blaasen yn ein seel und geist,
d' vernunfft im gen uff's aller höchst,
die selben ziert mit der wyssheit,
erlösst von der zerbrüchligkeit.
das b'schach, do gott dem Adam bliess
ein läbigen athem yn, in stiess
durch sin nasslöcher, wie man weisst:
do ward dem mensch gen seel und geist.
kein thier, noch vych ist das bescheen;
allein dem menschen ist das gen
in sin'r beschaffung aller sammen.
darumb blybt d' seel ewig mit nammen,
und stirbt des tods gar nimmer nit.
der dingen dis spil kundtschafft git.
uff das, fromm, eerenvest und wyss!
diewyl zuog'hört gott aller pryss,
im d' heiligkeit und alle eer
der g'walt und andre kräfften mer,
d' wyssheit, 's fürseen; wie's g'nempt mag syn:
so wurd diss spil nit haben schyn,
kein rechte form, wyss oder g'stalt,
so man sy liess in gottes g'walt
on ursach yn, und suochte grund,
die aber nit keins menschen mund
uss sprechen mag nach siner art;
drumb es wol werden mag erspart.
uff das man underlassen mag
b'schaffung der welt, den ersten tag,
wie gott hab gmacht die himmel, d' erden;
wie's tag und nacht hab mögen werden;
wie's liecht sey gmacht mit underscheidt;
was gotts sey g'syn d' almächtigkeit;[9]
wie die hab g'würckt in allen dingen;
wie gott diss alls hab künden zwingen,
d' erd, d' wasser, d' lufft mit allen winden;
wie er d' gschöpfft drinn hab künden finden,
fisch, vögel, thier und's firmament;
ob's müglich sey, das wurd erkent
gotts anfang, d' krefft und all sin macht,
all siner ding gruntlich ursach,
wie gott die böum, d' frücht, loub und grass,
wie's alls von im erschaffen was,
mit allen vorbestimpten dingen.
ob doch ein mensch sich möge zwingen
recht grund, ursachen zeigen an,
uss sim verstand das müge han,
ryssen ald füeren mit gewalt
uss sinem hirn in form und g'stalt,
wie's gott hat g'stellt an'n heitren tag:
so findt man, das kein mensch nit mag
das krefftig zöugen und sighafft.
darumb ein eerliche burgerschafft
abston wil yetzdan deren dingen,
die kein mensch mag zewägen bringen.
drumb wir d' spil da wend heben an,
wie Lucifer sey vom himmel kon;
demnach wie gott den menschen macht,
waruss und wie nit on ursach.
darumb so schwygend allsamm still!
das ist hie unser aller will;
dann wie bald 's g'sang ein end wirt han,
werdend d' engel 's spil heben an.
Musica.
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro