Der abt im wiltbad

[101] In dem hofton Jörg Schillers.


20. januar 1537.


1.

Ein abt war in dem Beierlant,

sein abtei, die ist weit erkant

und heißet zu Rauschhofen;

Der aß und trank das allerbest

das er wart feist und wolgemest,

groß wie ein kachelofen.

Zuletzt wurt im eng um die brust,

und mocht gar nit mer eßen,

allein het er zu trinken lust;

groß forcht het in beseßen.

nach rat der arzt er in ein wiltbad fure,

das im geholfen wure;

zwen münich nam er mit

nach eines abtes sit.


2.

Als der abt fur durch einen walt,

da sprenget in an aus eim halt

selb drit ein edelmone,

Sprach: »wer bistu und wo wilt hin?«

er sprach: »ins wiltbad; her, ich bin

ein geistliche persone.«[101]

Er fragt: »was wiltu im wiltbad?«

er sprach: »ich mag nit eßen.«

er antwort im: »ist das dein schad,

so wil ich mich vermeßen,

in drei tagen genzlich zu helfen dire.

wolauf und far mit mire!«

dem abt half gar kein bit,

er must wol faren mit.


3.

Als er den abt bracht in das schloß,

sperrt er den in ein kamer groß,

sprach: »du must trucken baden.«

Ein tag er im drei arbeiß gab.

der abt wart hungrig, nam ser ab

und bat fast um genaden.

Zu tisch lud in der edelmon,

recht als ein wolf er fraße;

achzg gulden schenkt er im zu lon

und fur hin heim sein straße.

also wer vol ist und nit eßen mage,

versuch die kunst drei tage;

dis wiltbad in purgirt,

das er fein eßen wirt.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 101-102.
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