[127] Im speten ton Heinrich Frauenlobs.
(1546.)
1.
Ein junger edelman, der war
im Beierlant vor manchem jar,
der war verlogen ganz und gar,
was im einfiel, redt er naus unbesunnen.
Nun het er einen alten knecht,
der gab im seiner sach ganz recht,
blies mit in all sein lügen schlecht,
das er und sein herr allmal recht gewunnen.
Als sie eins tags über felt ritten,
der junker fürt da nach adlichen sitten
ein hörnlein und ein büchsen zu dem birschen.
als man in der herberg zu nacht
den gesten einen schlaftrunk bracht,
da wurt auch des weidwerks gedacht,
der wilden schwein, wölf, beren und auch hirschen;
2.
Jeder sagt, was er het getan.
als nun die red tet umher gan,
kam an den jungen edelman,
sprach er: »als ich heut ritt auf waldes straßen,
Hab ich geschoßen in eim schuß
ein hirschen, ich bekennen muß,
durch einen rechten hinterfuß,
durch sein recht or und darzu durch die nasen.«
Wie das möglich wer, frageten die geste,
der knecht die lüg nit zamen reimen weste,[128]
kratzt sich im kopf, der junker in anblicket.
der knecht sprach: »der hirsch auf dem gspor
hub seinen hintern fuß empor
und kratzet sich mit bei dem or,
also der hirsch zu disem schuß sich schicket.«
3.
Als sie hernach kamen ins bet,
der knecht sein junkherren anret,
wie er im von dem hirschen het
schier gar zu weit von einander gelogen;
Wie sauer es im worden wer.
fürbas solt er in lügen schwer
nit also weit vorgreifen mer,
das lüg zu warheit möcht werden gezogen.
Drum wer ungschwungen lügt, so spricht man rechte,
diser bedörft auch wol eins eignen knechte,
der im sein lüg auch tet zusamen reimen.
wer lüg der warheit reimet zu,
oft macht aus einer lügen zwu;
wan man das merkt, spricht man, er tu
aus einer lüg zwu lügen zusam leimen.