Dichter und singer

[24] In der silberweis Hans Sachsen.


1517.


1.

Ich lob ein brünlein küle

mit ursprunges aufwüle

für ein groß wasserhüle,

die keinen ursprung hat,[24]

Sich allein muß besechen

mit zufließenden bechen

der brünnlein, mag ich sprechen;

die hül nit lang bestat,

Wan von der sunen großer hitz

im sumerlangen tak

die hül wirt faul und gar unnütz,

gewint bosen geschmak;

sie trucknet ein, wirt grün und gelb;

so frischet sich das brünnlein selb

mit seinem uresprunge,

beleibet unbezwunge

von der sune scheinunge,

es wirt nit faul noch mat.


2.

Das brünlein ich geleiche

einem dichter kunstreiche,

der gesang anfenkleiche

dichtet aus künsten grunt;

Bas lob ich den mit rechte

für einen singer schlechte,

der sein gesang enpfechte

aus eines fremden munt.

Wan so entspringet neue kunst,

noch scherfer, dan die alt.

des singers gesang ist umsunst,

er wirt geschweiget balt;

er kan nit gen neue gespor

sie sei im den gebanet vor

durch den dichter on scherzen,

der aus kunstreichem herzen

kan dichten ane scherzen

neu gesang alle stunt.
[25]

3.

Won alle künst auf erden

teglich gescherfet werden

von grobheit und geferden,

die man vor darin fant.

Von gesang ich euch sage,

das er von tag zu tage

noch scherfer werden mage

durch den dichter, verstant.

Darum gib ich dem dichter ganz

ein kron von rotem golt

und dem singer ein grünen kranz.

darbei ir merken solt:

kem der singer auf todes bar,

sein kunst mit im al stirbet gar;

wirt der dichter begraben,

sein kunst wirt erst erhaben

müntlich und in buchstaben

gar weit in mengem lant.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 24-26.
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