Die zwo elen tuch

[282] Im gülden ton Bartl Regenbogen.


13. october 1549.


1.

Es het ein vatter seinem sun

übergeben sein gut und hab

das er in solt sein leben lang versorgen,

Und solt im darum gütlich tun,

iedoch wart der alt balt schabab

man wurt sein urdrütz den abent und morgen.

Der alt must aus der stuben naus

man gab im ein alt kamer öde

oben zu oberst in dem haus,

man speiset in gering und darzu spröde;

auch tet der frost dem alten we,

von kaltem wint, regen und schne,

sein kleidung war zerrißen, dünn und blöde.
[282]

2.

Der alt tet zu seinem sun gan,

sprach! »einen rock mir machen laß,

in meiner kamer bin ich schier erfroren.«

Der sun sach in gar tückisch an,

mit untreu er beseßen was,

des vatters bit und flehen war verloren.

Jedoch der unverstanden bock

dem vatter zwo elen grobes tuch gabe,

sprach: »laß darmit flicken dein rock.«

wies darmit seinen alten vatter abe.

der ging seufzent dahin allein

in die kalt öden kamer sein.

die ding ersach ein fünfjeriger knabe;


3.

Sprach: »gib mir, lieber vatter mein,

auch zwo elen tuch, bitt ich dich.«

er gab im das, do bhielt es auf der knabe.

Der vatter sprach: »was wiltu sein?«

das kneblein sprach einfeltiglich:

»das ichs einmal in deim alter auch habe,

So du mich bittest um ein rock,

das ich dirs gib, dein rock darmit zu flicken.«

der son stunt da gleich wie ein stock,

dacht: »mein sönlein würt sich in mein art schicken.«

nam sein vatter wider zu im.

hiebei du alter man vernim:

behalt dein gut, laß dich nit mit verstricken.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 282-283.
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