Geheimnis des sacraments

[7] In des Marners langem ton.


1514.


1.

Maria, himel keiserin,

du hoch wirdige meit,

verleich mir wiß vernunft und sin,

das ich bewar die heimlikeit

von dem heiligen sacrament

und von der himelischen speis,[7]

Die der könig auf serafin

ließ hie der cristenheit

aus rechter lieb und warer min,

e er für uns am kreuze streit,

darmit er uns half aus ellent

und schloß mit auf das paradeis.

Die würkung die ist wunderbar

des sacramentes fron:

wer das empfahet wirdiklichen also schon,

dem kumet es zu steur;

wer das unwirdiklich empfecht,

dem wirt zu lon ewiges feur.

des selben ein geleichnus nim

bei einer blumen her:

die bin mit ger nimet darauf ir speis mit ler,

daraus wirt honig unverfer;

so aber ein spin neußet die blumen, daraus wirt gift gefer.

darbei ist cristlich zu verstent

des brotes fricht zweierlei weis.


2.

Manigen nimet wunder ser,

wie das fron sacrament

wirt in der cristenheit so fer

gewandlet an manigem ent

und hat doch hie und dort sein kraft,

niendert kein abegang es hat.

Durch die natur so nim ein ler,

schau, wie der sun get sent

den seinen schein auf erden her

und beleibet doch unzutrent,[8]

hat um und um sein eigenschaft

als er am firmamente gat:

Also kumet got her auf ert

in das sacrament fron

und beleibet wesenlich ein der himel tron.

noch ist zu merken not,

wie so vil partikel entpfa-

hen mugen allein einen got:

des selben ich geleichnus gib,

das ist zu merken ring.

merk! ob da hing hundert spiegel, ich euch da sing,

und das ein mensch dar füre ging,

ein ieder spiegel sunderlich ganz des menschen gestalt empfing;

also vil partikel warhaft

empfahen einen got, verstat!


3.

Mag sich verwandlen brot und wein

in fleisch und blut gar drot

durch gottes kraft der priester rein,

so er ob dem altare stot.

widerwertig zu sprechen ist:

gesicht, geschmack felt daran gar.

Exempel geit die schrift so fein,

wie das der ewig got

ein weib verwandelet in stein,

da der engel ausfüret Lot

von Sodoma in kurzer frist,

saget uns genesis fürwar;

Warumb wolt sich dan wandlen nicht

brot, wein in fleisch und blut

durch wortes kraft, die der priester da sprechen tut?

seit oft durch wortes kraft

ein schlang verlissen ist ir gift,

die sie doch hat von eigenschaft.

darum gelaub warhaftiklich[9]

an das fron sacrament,

darvon nit went! schau, das dich kein irsal nit blent,

wan alle ding got möglich sent.

der verleich uns rei beicht und buß, dar nach ein gut seliges ent.

ich bitt dich, herre Jesu Crist,

hilf uns dort an der engel schar!

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 7-10.
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