Kennzeichen

[29] In der hohen tagweis Hans Sachsen.


1518.


1.

Man kent den hohen tage

bei der sunen, ich sage,

die nacht man kennen kan

bei der triglichen schein der man,

die steren bei dem glanze,

Den krenich bei dem kragen,

den straus bei seinem magen

und bei dem kam den han;

bei weißer farb kent man den schwan,

den pfaben bei dem schwanze,

Man kent die nachtigale

bei irem süßen hale,

die lerch bei dem gesang,

den storch bei seinem schnabel lang,

den widhopf bei dem gupfen,

den igel bei dem stupfen

und an dem lauf das röch,

das kameltier bei seiner höch,

die schlangen bei dem schlupfen,

den frosch bei seinem hupfen,

an dem springen die flöch,

den fuchs bei seinen liften spech;[29]

den hunt bei seinem kale,

den esel bei dem fale,

den krebs bei seinem gang;

bei dem antliz kent man an zwang

art menschlicher substanze:


2.

Den ritter bei den sporen,

den jeger bei dem horen,

den reuter an dem trab,

den waller kent man bei dem stab,

den könig bei der krone,

Bei den schellen den toren

und bei der schwerz den moren,

den reichen bei der hab,

das weib bei den brüsten, gelab,

und bei dem bart den mane;

Am carmen den poeten,

den weisen bei den reten,

den münich bei der kut,

den wunden kent man bei dem blut,

den blinden bei dem gange,

den meister bei dem gsange,

den fechter am parat,

die junkfrau bei dem kranz, verstat,

und den dieb bei dem strange,

den schmit bei hamer, zange,

den bauren bei der wat,

den mader kent man an dem mat,

den pfeufer bei der fletten,

den gfangnen bei den ketten:

also man kennen tut

des menschen herz und seinen mut

bei den zeichen, verstane:
[30]

3.

Bei lachen kent man freiden,

bei weinen kent man leiden,

torheit bei phantasei,

bei achitzen do kent man rei,

bei seufzen kent man schwere,

Hoffart kent man bei geiden,

feintschaft kent man von neiden,

betrug mit schmeichlerei,

geselschaft kent man bei der trei,

bei zucht do kent man ere,

Lieb bei den augenblicken,

holtschaft bei hentleindrücken,

bei wolsprechung die gunst

und bei dem werk kent man die kunst;

unvernunft bei dem krigen,

forcht kent man bei dem schmigen,

scham kent man an der ret

schwachheit kent man bei gilb, verstet;

bei vil geschwetz das liegen,

geiz kent man bei betriegen,

verachtung bei gespet,

freuntschaft kent man in großer net,

untreu bei hinterticken.

wol dem, der sich kan schicken

aus kantnus der vernunst.

des stet mein herz in freuden brunst,

wen nur ein sach nit were.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 29-31.
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