Heinz Widerporst

[58] Heinz Widerporst bin ich genant,

kum her aus wildem Lappenlant,

gen berg sten mir all meine har,

wan ich bin widerspenstig gar;

mein sin selzam, eglisch und wunderlich,

all mein gedanken die sint sunderlich,

mit keim menschen die concordiern,

eigensinnigkeit tut mich ziern;[58]

was iederman für gut erkent,

wirt von mir veracht und geschent;

was man vernicht, dem gib ich preis,

leb ganz widerpörstiger weis,

wes man sich freut, des traure ich,

wes man trauert, des freu ich mich,

was man gutes wil fahen an,

das wend ich allmal, wo ich kan,

und was auf ganzer ert geschicht,

das laß ich mir gefallen nicht;

gottes würkung ich allzeit tadel,

regenten, fürsten und den adel,

geistlich, weltlich, groß unde klein,

rat und gericht und die gemein;

man predig, schreib, sing oder sag,

über das als ich schrei und klag

on alle ursach, fug und glimpf

und bin ein rechter wendenschimpf,

ein wilder lap, ja dem allein

gefellt der eigen willen sein.

zwei eseloren ich auch hab,

darbei nimt leicht ein weiser ab,

das umb mich ist die weisheit klein;

zerstreuet sint die sinne mein

und gen gleich durch einander wabern,

wie auf dem felt der gmete habern;

des sint meine wort unbehut.

solt ich verreden leib und gut,

so halt ich doch kein zal noch maß,

weil mir gfellt weder diß noch das,

schlag ich iedem ein blechlein an,

keinr billichkeit schon ich nit dran,

es reim sich oder reim sich nicht,

dasselbig mich nit hart anficht,

und wer mich darumb strafen wolt,

dem würt ich feint und gar abholt,[59]

wan ich wil allzeit haben recht,

ob schon all welt mir widerfecht;

je mer man stillt, je mer ich tob,

wiewol ich selber bin so grob,

ei, gröber vil den das bonstro,

ein ungeschickter schadenfro,

und west vor unverstant dargegn

einr sau kein sattel aufzulegn.

des bleib ich weis heuer als fert,

geleich wie unsers mülners pfert.

mein gwant das ist ein igelsbalk,

darmit deck ich mein groben schalk,

bin stachlicht ganz iglischer art,

halt allenthalben widerpart,

wan ich stich mit spitzigen worten

tückisch umb mich an allen orten;

sitz ich in rat oder gericht,

laß ich der weisheit fürgang nicht;

wo ich dann in eim hantwerk bin,

anricht ich vil unrats darin;

wo ich denn in gesellschaft kum,

so schlag ich oft ein lerman um;

wo ich in einer gaßen sitz,

sticht die ganz nachbarschaft mein spitz,

und wo ich denn kom in die e,

da mach ich meim gemahel we;

wo ich auch won in einem haus,

da hebt sich mancher wilder straus.

ich sei bei leien oder pfaffen,

hat iederman mit mir zu schaffen;

ich kif, ich gron, ich grein und zank;

kein mensch umb mich verdienet dank,

mach vil zank, hader und aufrür,

krieg, widerwillen und unfür,

das iederman mich billich schetz,

ich sei ein rechte hadermetz.[60]

nach mir zeuch ich ein dorenstrauch,

das mich blutrüstig machet auch,

mit scharpfen doren meine schenkel,

fuß, solen, fersen und den enkel,

wan ich mir selb richt törlich zu

durch mein abweis große unru,

ich hab bein leuten gar kein stern,

niemant hat mit mir zschaffen gern;

weil ich nichts ungetadelt laß,

mißt man mir auch mit solcher maß;

wer mir zumag, der tut mich rupfen,

mit worten und mit werken zupfen,

das ich doch nicht mer dulden kan;

weil mir zusetzet iederman,

so wil auch ich Heinz Widerporst

wider gen in des waldes forst,

fliehen fürbaß menschliche bildnus,

bleiben einsam in meiner wildnus,

weil mir mein weis gefellt allein,

und genzlich unbekümmert sein

mit der welt, biß doch mit der zeit

ent nem mein widerpörstigkeit.


Der beschluß

Aus dem so merk ein ieder man;

wil er gemach und fride han,

so meid er widerpörstig art

und halte für nicht widerpart;

was ander leut in laßen gfalln,

das tu er auch nit widerkalln;

ob gleich ein ding gebrechlich sei,

so merk er das und schweig darbei,

voraus wo es im ist unschedlich;

so helt man in aufricht und redlich,

leutselig, still, glimpfig und fridlich.

wol mag er richten underschidlich,[61]

das gute von dem bösen scheln

und im das gut denn auserweln,

doch alle ding zum besten richt,

wie auch herr doctor Freidank spricht,

der man sei weis und wol gelert,

der alle ding zum besten kert;

als dann mag er bein leuten bleiben,

mit guter ru sein zeit vertreiben

und kan entgen vil ungemachs;

senftmut ist gut, so spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1534. am 16. tage Aprilis.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 58-62.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Spruchgedichte (Auswahl)
Meisterlieder, Spruchgedichte, Fastnachtsspiele
Spruchgedichte: Auswahl

Buchempfehlung

Hume, David

Dialoge über die natürliche Religion

Dialoge über die natürliche Religion

Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon