Summa all meiner gedicht vom 1514. jar an bis ins 1567. jar

[240] Als man zelt vierzehundert jar

und vierundneunzig jar fürwar[240]

nach des herren Christi geburt

ich Hans Sachs gleich geboren wurt

Novembris an dem fünften tag,

daran man mich zu taufen pflag,

eben geleich grad in dem herben,

grausam und erschrecklichen sterben,

der regiert in Nürnberg der stat.

den brechen auch mein mutter hat

und darzu auch der vatter mein,

got aber verschont mein allein.

sibenjerig darnach anfieng,

in die lateinisch schule gieng;

drin lert ich puerilia,

grammatica und musica

nach ringem brauch derselben zeit;

solchs als ist mir vergeßen seit.

neunjerig aber dreißig tag

ich an dem heißen fieber lag.

nach dem ich von der schule kam

fünfzenjerig und mich annam,

tet der schumacher hantwerk lern,

mit meinr hantarbeit mich zu nern;

daran da leret ich zwei jar.

als mein lerzeit vollendet war,

tet ich meinem hantwerk nach wandern

von einer statte zu der andern,

erstlich gen Regnsburg und Braunau,

gen Salzburg, Hall und gen Passau,[241]

gen Wels, Münichen und Lantshut,

gen Oeting und Burghausen gut,

gen Würzburg und Frankfurt, darnach

gen Coblenz, Cölen und gen Ach;

arbeit also das hantwerk mein

in Beiern, Franken und am Rein.

fünf ganze jar ich wandern tet

in dise und vil andre stet.

spil, trunkenheit und bulerei

und andre kurzweil mancherlei

ich mich in meiner wanderschaft

entschlug und war allein behaft

mit herzenlicher lieb und gunst

zu meistergsang, der löblichn kunst,

für all kurzweil tet mich aufwecken.

ich het von Lienhart Nunnenbecken

erstlich der kunst einen anfang;

wo ich im lant hört meistergsang,

da leret ich in schneller eil

der bar und tön ein großen teil,

und als ich meines alters war

fast eben im zweinzigsten jar,

tet ich mich erstlich understan

mit gotes hülf zu dichten an

das bar in dem langen Marner:

gloria patri lob und er,

zu Münichen, als man zelt zwar

fünfzehundert vierzehen jar,

half auch daselbst die schul verwalten,

tet darnach auch selber schul halten

in den steten, wo ich hin kam,

hielt die erst zu Frankfurt mit nam,

und nach zwei jarn zog ich mit glück

gen Nürnberg, macht mein meisterstück.

nach dem wart mir vermehelt drin

mein gmahel Küngunt Kreuzerin

geleich an sanct Egidientag;

am neunten tag der hochzeit pflag,[242]

als man gleich fünfzehundert jar

und neunzehen jar zelen war,

welche mir gebar siben kint,

die all mit tot verschiden sint.

und als man fünfzehundert jar

und auch sechzig jar zelen war,

am sechzehentn Martii im frid

mein erster gemahel verschid.

als man zelt einundsechzig jar,

am zwelften Augusti fürwar

wurt mir wider verheirat da

mein andre gmahel Barbara

Harscherin, und am erichtag

nach sanct Egidien, ich sag,

war mein hochzeit fein schlecht und stil;

mit der leb ich, so lang got wil.

als man aber zelet fürwar

geleich fünfzehenhundert jar

und sibenundsechzig, ich sag,

Januarii am ersten tag,

meine gedicht, spruch und gesang,

die ich het dicht vor jaren lang,

so inventiert ich meine bücher,

wurt gar ein fleißiger durchsücher

der meistergsangbücher zumal,

der warn sechzehen an der zal;

aber der sprüchbücher der was

sibenzehen, die ich durchlas;

das achtzehent war angefangen,

doch noch nit vollent, mit verlangen.

da ich meine gedichte fant

alle gschriben mit eigner hant,

die vierunddreißg bücher mit nam,

darinnen summiert ich zusam

erstlich die meistergsang fürwar,

der von mir sint gedichtet bar

in disen dreiundfünfzig jarn,

darin vil schriftlicher bar war[243]

aus alt und neuem testament,

aus den büchern Mose vollent,

aus den figurn, prophetn und gsetz,

richter, künigbüchern, zuletz

den ganzen psalter in der sum,

die bücher Machabeorum

und die sprüch Salomon hernach

und aus dem buch Jesus Sirach,

epistln und evangelion,

auch aus apocalypsis schon,

aus den ich allen vil gedicht

in meistergsang hab zugericht

mit kurzer gloss und ir auslegung

aus guter christlicher bewegung,

einfeltig nach meinem verstant,

mit gotes hülf nun weit erkant

in teutschem lant bei jung und alten,

darmit vil singschul werdn gehalten

zu gotes rum, lob, preis und glori;

auch vil warhaft weltlich histori,

darin das lob der gutn erhaben

und der argen lob tief vergraben,

aus den gschichtschreibern zugericht;

auch mancherlei artlich gedicht

aus den weisen philosophi,

darin ist angezeiget, wie

hoch die tugent zu loben sei

bei menschlichm gschlecht, und auch darbei,

wie schentlich sint die groben laster,

alles unglückes ein ziehpflaster;

dergleich vil poetischer fabel,

welche sam in einer parabel

mit verborgen, verblümten worten

künstlich vermelden an den orten,

wie gar hochlöblich sei die tugent

beide bei alter und der jugent,[244]

dergleich, wie laster sint so schentlich;

darnach sint auch begriffen entlich

schulkünst, straffer, logica, renk,

auch mancherlei kurzweilig schwenk,

zu frölichkeit den traurign kommen,

doch alle unzucht ausgenommen.

in einer summa diser bar

der meistergesang aller war

eben gleich zweiundvierzig hundert

und fünfundsibnzig ausgesundert,

waren gsetzt in zweihundert schönen

und fünfundsibnzig meistertönen;

darunder sind dreizehen mein.

solichs war als geschriben ein

in der sechzehn gsangbücher sum.

die achtzehen sprüchbücher num

ich auch her in die hende mein;

drin durchsucht die gedicht allein,

da funt ich frölicher comedi

und dergleich trauriger tragedi,

auch kurzweiliger spil gesundert,

gerade acht und auch zweihundert,

der man den meisten teil auch hat

gespilt in Nürenberg der stat,

auch andern steten ferr und weit,

nach den man schicket meiner zeit.

nachdem fant ich darinnen frei

geistlich und weltlich mancherlei

gesprech und sprüch von lob der tugent

und guten sitten für die jugent,

auch höflicher sprüch mancherlei

aus der verblümtn poeterei,

und auch von manchen weisen heiden,

von der natur artlich, bescheiden,

auch mancherlei fabel und schwenk,

lecherlich poßen, selzam renk,

doch nit zu grob noch unverschemt,

darob man freud und kurzweil nemt,[245]

und doch das gut darbei verste

und alles argen müßig ge.

diser gedicht ich allersant

tausent und sibenhundert fant;

doch ungeferlich ist die zal

aus den gedichten überal.

vor drei bücher ausgangen sint

im druck, darinnen man ir fint

acht und achtzg stück und sibenhundert,

darob sich mannich man verwundert.

auch ists viert und fünft buch zu drucken

bstelt, die bei etlich hundert stucken

halten, auch spruchsweis mein gedicht

werdn in der zeit kommen ans licht.

auch fant ich in mein büchern gschriben

artlicher dialogos siben,

doch ungereimet, in der pros,

ganz deutlich, frei, on alle glos.

nach dem fant ich auch in der meng

psalmen und ander kirchengseng,

auch verendert geistliche lider,

auch gaßenhauer hin und wider,

auch lieder von kriegesgeschrei,

auch etlich bullieder darbei,

der allersamen ich vernum

dreiundsibenzig in der sum,

in tönen schlecht und gar gemein;

der tön sechzehn mein eigen sein.

als ich mein werk het inventiert,

mit großem fleiß zusam summiert

aus den sprüchbüchern umb und um,

da kam in summa summarum

aus gsang und sprüchen mit gelück

sechstausent achtundvierzig stück

aus meinen büchern überal,

e mer den minder in der zal,

on der, so waren kurz und klein,

der ich nicht het geschriben ein.[246]

aber hie anzeigte gedicht

die sint alle dahin gericht,

sovil mir ausweist mein memori,

zu gottes preis, lob, rum und glori,

und das sein wort wert ausgebreit

bei christlicher gmein ferr und weit

gesangweis und gereimten worten,

und im Teutschlant an allen orten

bei alter und auch bei der jugent

das lob aller sitten und tugent

wert hochgepreiset und berümt;

dargegen veracht und verdümt

die schentlichen und groben laster,

die als übels sint ein ziehpflaster,

wie mir das auch nach meinem leben

mein gedicht werden zeugnus geben;

wan die ganz sum meiner gedicht

hab ich zu eim bschluß zugericht

in meinem alter, als ich war

gleich alt zwei und sibenzig jar,

zwei monat und etliche tag.

darbei man wol abnemen mag,

das der spruch von gedichten mein

gar wol mag mein valete sein,

weil mich das alter hart vexiert,

mich druckt, beschwert und carceriert,

das ich zu ru mich billich setz

und meine gedicht laß zuletz

dem gutherzign gemeinen mon,

mit gots hülf sich beßer darvon.

got sei lob, der mir sant herab

so miltiglich die schonen gab

als einem ungelerten man,

der wedr latein noch kriechisch kan.

das mein gedicht grün, blü und wachs

und vil frücht bring, das wünscht Hans Sachs.


Anno salutis 1567., am 1. tag Januarij.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 240-247.
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