Gott

[29] Aus Furcht geboren und vom Wunsch verschönt,

ein Bild unsrer Vollkommenheit zu malen,

wurdest du Jude und zum Kannibalen,

der eifervoll dem Bruderfraße frönt;


dann nährtest du dich, opferblutgewöhnt,

von unsrer Selbstzerfleischung Folterqualen,

bis deine Wut verdämmerte zum fahlen

Gespenst, das hohl und wimmernd uns umstöhnt:


Oh Ding an sich! Oh Wahrheit! Letzter Grund!

Nun stirbst du – – dennoch fachte dieses Wort

all unsrer Sehnsucht Narrenschmerzen und


Gelüste an und unsre Welt verdorrt

noch in den Dünsten, die dein toter Mund

aushaucht, zu einem runden Narrenort.
[29]

Quelle:
Gustav Sack: Gesammelte Werke. Band 2, Berlin 1920, S. 29-30.
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