16.

[223] In dem Orte Hetzendorf war auch Eine, die[223] von der Drud zu leiden hatte. Einmal sagte sie zu ihr: »Komme morgen früh um ein Schüsselchen Sauerkraut!« – Wirklich kam in der Frühe die alte Nachbarin, eine Bäuerin, welche selbst genug Kraut eingeschnitten hatte, und verlangt Kraut mit dem Beysatze: »Ich hätte wohl selbst genug Kraut, aber ich habe gehört, daß das Deine so gut seyn soll, und das meine ist ganz abgestanden.«

Die Erste frug ihr aber nach und erfuhr, daß das Kraut vortrefflich sey, und besser und schöner als ihr eigenes. Um sich noch mehr zu überzeugen, sagte sie in der folgenden Nacht, da die Drud abermals kam: »Ich erlaube dir, morgen etwas Schwarzes zu erdrücken.« Sie besaß nämlich eine schwarze, böse Katze, und hatte gehört, man könne sich frey machen, wenn man der Drud ein schwarzes Thier zu erdrücken gestatte. Nachts lag die Katze zu den Füßen der Bäuerin im Bette, und wie die Drud kam, blieb sie selber verschont, die Katze aber begann sich zu wehren und zu schreyen. Da ward die Bäuerin ungeduldig, und langte nach der Katze; diese entsprang. Nun stand sie auf, machte Licht und sah nach der Katze, die viele Haare verloren hatte und ganz voll Blut, aber nicht tod war.

Als es nun Tag wurde, ging sie zur Nachbarin hinüber, welche noch zu Bette war; wie sie zur Thüre eintrat, wendete sich die Drud im Bette und ließ dabey wider Willen sehen, daß sie besonders auf der Brust sehr blutig und voll Kratzer war.

So wußte sie nun gewiß, wer die Drud sey.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 223-224.
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