10.

[378] In dem kleinen Orte Haag, bey Tiefenbach, hatte ein Bauer eine Bauerntochter aus Stegen geheurathet. Kaum war sie einige Tage dort, so konnte keine einzige Bäuerin des Ortes mehr Schmalz machen. Die neue Frau aber, obwohl sie nur zwey Kühe hatte, trug jeden Marktag mehrere Pfunde davon zum Verkaufe, weshalb sie bald allgemein in der Umgegend in dem Rufe einer Hexe stand. Sie ging auch nie zur Kirche, derweil sie lebte.

Man hat sie öfter ganz nackt in einer Wiese eine Hand voll Kräuter sammeln sehen. Wenn sie Butter machte, war sie nackt, die Haare fliegend. An Walburgi brachte sie die ganze Nacht nackt beym Vieh im Stalle zu; es waren zwar nur zwey Stücke drin, doch löste sie jährlich für verkauftes Schmalz an 200 fl.

Einmal hat sie einem Bäcker, mit dem sie wegen eines Fahrtweges in Streit gerieth, die ganze Wirthschaft verhert, und dieser konnte ein paar Monate lang kein ordentliches Brod zusammen bringen, bis er mit geweihten Sachen dem Zauber ein Ende machte, und die Hexe zwang, sich am andern Morgen ihm zu zeigen.

Auch als Wetterhexe hatte sie Ruf. Einmal entstand ein heftiges Gewitter bey starkem Winde; ihr Nachbar sah sie eine Stunde vorher aus dem Hause gehen. Da warf er, als ein arger Windstoß daher kam, ein spitzes Messer in die Luft hinauf. Das Wetter hörte sogleich auf, aber das Weib hatte ein Auge verloren.

Nach ihrem Tode ging sie um und arbeitete vorzüglich[379] in den Milchgeschirren herum. Ein Kloster-Geistlicher las sie in eine zinnerne Flasche hinein, und vertrug sie auf den Schwarzenwührberg.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 378-380.
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