1067. Die Venetianer im Fichtelberg.

[120] Von A. Kaufmann.


Wie lockt in Sommers Schwüle

Der Wald so wunderbar!

Wie lieblich haucht die Kühle

Um Busen, Stirn' und Haar!


Die Buche ragt gewaltig,

Die Tanne schlank und wild;

Das Moos so vielgestaltig

Wie's um die Knorren schwillt!
[120]

Der Welle fröhlich Hüpfen,

Die um den Fels sich schlingt;

Des Eichhorns lustig Schlüpfen,

Das in den Zweigen springt;


Das Spiel der goldnen Lichter,

Des Laubs verliebter Scherz –

Wie freudig spielt's dem Dichter

Durch's Auge bis in's Herz!


Süß, Wald, sind deine Wonnen,

Doch birgst du, tief entrückt,

Scheu vor dem Glanz der Sonnen,

Den Hort, der schlimm beglückt,


Der stets mit blut'gem Hader

Den Erdkreis noch getränkt,

Drum ihn in tiefste Ader

Ein güt'ger Geist versenkt.


Da lagen nun und ruhten

Die Schätze unberührt –

An der Lagune Fluthen

Hat man sie aufgespürt;


Auf fernen Euganeen

In Zauberspiegelschein

Gelang's den Hort zu sehen

Im Schneekopf und Kössein.


Nun kam in düstern Schaaren,

Ward sommerlich die Zeit,

Viel wälsches Volk gefahren

Um deutsche Herrlichkeit;


Oft sah man finstre Männer,

In monderhellter Nacht,

Des Gold's erprobte Kenner

Durchwühlen Schacht auf Schacht;


Oft auch in wilden Nächten,

Zu schlimmen Thaten gut,

Vernahm man stürmisch Fechten,

Und morgens fand sich Blut.


Was deine Felsenfeste,

O Fichtelberg, durchrollt,

Venedig sah Paläste

Ersteh'n von deinem Gold;


In Sammtgewand und Seide

Ging mancher wälsche Mann,

Indeß im härnen Kleide

Der Bergbewohner spann;


Oft wenn am fernen Maine

Der Köhler Wasser trank,

Berauscht von Cyperweine

Der Wälsche niedersank.


Da griff ein Zorn die Zwerge,

Ihr König sprach das Wort,

Und tiefer in die Berge

Versenkte sich der Hort.


Das Pilgern ist vergangen,

Kein Wälscher naht sich mehr –

Der Wald in stolzem Prangen

Blüht herrlich wie vorher:


Um seine Kuppen glüht noch

Wie Gold das Morgenroth,

Um stille Wipfel blüht noch

Das Abendroth im Tod;


Mild kommt, wenn's Gold verglühte,

Der Silbermond gewallt –

Daß Gott dich stets behüte,

Du frommer Aufenthalt!

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 120-121.
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