Im März

[419] Dich vor allen Monden preis' ich,

Fürst des Jahres, heil'ger März,

Wenn den Banden, starr und eisig,

Sich entringt der Erde Herz!


Noch ist Schlaf auf sie gebreitet;

Aber leise, sichtbar kaum,

Ueber ihre Züge gleitet

Schon vom nahen Lenz ein Traum.
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Und sie regt sich; aus den Kammern,

Wo es stockend lang geruht,

Flutet durch zerbrochne Klammern

Wiederum ihr Lebensblut.


Und des Donners ersten Schlägen,

Der den Frühlingschor beginnt,

Und dem Wettersturm entgegen

Jauchzt der Sonne Lieblingskind.


Da, wie Eis im Frühlingswinde,

In dem großen Werdehauch

Schmilzt des Frostes starre Rinde

Tief in unserm Herzen auch.


Sprudelnd mit den Erdenflüssen,

Mit der Gletscherströme Flut,

Bricht in mächtigen Entschlüssen

Neu hervor der Lebensmut.


Und der lang, ein Schlafbetäubter,

Dagelegen, wieder kreist

Um der Alpen Riesenhäupter

Mit den Adlern nun der Geist.


Daß er hoch und höher ringe

Und, durchglüht von deinem Kuß,

Ganz sein Lebenswerk vollbringe,

Sei mit ihm, o Genius!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 419-420.
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