Luftgebilde

[408] Wo der Abend das Himmelsblau

Tränkt mit goldenem Sonnenlicht,

Seht der Wolken Kreisen und Wallen,

Wie sie Terrassen und ragende Hallen

Türmen, dann wieder der luftige Bau

In sich zusammenbricht!


Alpengipfel, leuchtend von Schnee,

Steigen empor und stürzen herab;

Wieder dann Türme mit funkelnden Spitzen,

Schlösser, die weithin im Spätrot blitzen;

Plötzlich zertrümmert sinkt alles jäh

Nieder ins Sonnengrab.
[408]

Hoffnungen, Träume von Liebe und Glück,

Die ihr die Seele gaukelnd umschwebt,

Gleich der Wolken bunten Gestalten,

Immer wechselnd, doch immer die alten,

Steigt ihr empor und sinkt zurück,

Bis man mit euch uns begräbt.

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 408-409.
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