Alpenstraße

[81] Engiadina, terra fina,

Se non fosse la pruina.

Alter Spruch.


Wie schnaubt der Ostwind rauh mich an,

Wie pfeift's in allen Schluchten,

Als ob mich sündenleichten Mann

Vieltausend Teufel suchten!

Oymê! an welch ein End' der Welt

Bin ich allhie geraten:

Auf Welschland ist mein Sinn gestellt

Und muß im Eise baden.
[81]

Am Lärchenwald erschimmert's weiß

Von Riffen, Zacken, Schrunden ...

Ein Wall von Schutt, ein Strom von Eis

Hat sich zu Tal gewunden,

In dämmernder Schneekönigspracht,

Auf finstrem Wolkensitze

Reckt Piz Bernina durch die Nacht

Die demantblanke Spitze.


Sein Nebel deckt des Passes Höh'.

Durchblasen und durchfroren

Schwank' ich umher am schwarzen See

Und hab' den Pfad verloren ...

Wär' nicht ein Trost im Tal Valtlin,

Genannt der Valtelliner,

Ich fluchte auf das Engadin

Und auf die Engadiner.

Quelle:
Joseph Viktor von Scheffel: Kritische Ausgabe in 4 Bänden, Band 1, Leipzig/ Wien 1917, S. 81-82.
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