Eilfter Auftritt


[727] Der Herold zu den Vorigen.


KARL.

Was bringst du, Herold? Sage deinen Auftrag.

HEROLD.

Wer ist es, der für Karln von Valois,

Den Grafen von Ponthieu das Wort hier führt?

DUNOIS.

Nichtswürdger Herold! Niederträchtger Bube!

Erfrechst du dich, den König der Franzosen

Auf seinem eignen Boden zu verleugnen.

Dich schützt dein Wappenrock, sonst solltest du –

HEROLD.

Frankreich erkennt nur einen einzgen König,

Und dieser lebt im engelländischen Lager.

KARL.

Seid ruhig, Vetter! Deinen Auftrag, Herold!

HEROLD.

Mein edler Feldherr, den des Blutes jammert,

Das schon geflossen und noch fließen soll,

Hält seiner Krieger Schwert noch in der Scheide,

Und ehe Orleans im Sturme fällt,

Läßt er noch gütlichen Vergleich dir bieten.

KARL.

Laß hören!

JOHANNA tritt hervor.

Sire! Laß mich an deiner Statt

Mit diesem Herold reden.

KARL.

Tu das, Mädchen!

Entscheide du, ob Krieg sei oder Friede.

JOHANNA zum Herold.

Wer sendet dich und spricht durch deinen Mund?

HEROLD.

Der Briten Feldherr, Grab von Salisbury.

JOHANNA.

Herold, du lügst! Der Lord spricht nicht durch dich.

Nur die Lebendgen sprechen, nicht die Toten.[727]

HEROLD.

Mein Feldherr lebt in Fülle der Gesundheit

Und Kraft, und lebt euch allen zum Verderben.

JOHANNA.

Er lebte, da du abgingst. Diesen Morgen

Streckt' ihn ein Schuß aus Orleans zu Boden,

Als er von Turm La Tournelle niedersah.

– Du lachst, weil ich Entferntes dir verkünde?

Nicht meiner Rede, deinen Augen glaube!

Begegnen wird dir seiner Leiche Zug,

Wenn deine Füße dich zurücketragen!

Jetzt Herold, sprich und sage deinen Auftrag.

HEROLD.

Wenn du Verborgnes zu enthüllen weißt,

So kennst du ihn, noch eh ich dir ihn sage.

JOHANNA.

Ich brauch ihn nicht zu wissen, aber du

Vernimm den meinen jetzt! und diese Worte

Verkündige den Fürsten, die dich sandten!

– König von England, und ihr, Herzoge

Bedford und Gloster, die das Reich verwesen!

Gebt Rechenschaft dem Könige des Himmels

Von wegen des vergoßnen Blutes! Gebt

Heraus die Schlüssel alle von den Städten,

Die ihr bezwungen wider göttlich Recht,

Die Jungfrau kommt vom Könige des Himmels,

Euch Frieden zu bieten oder blutgen Krieg.

Wählt! Denn das sag ich euch, damit ihrs wisset,

Euch ist das schöne Frankreich nicht beschieden

Vom Sohne der Maria – sondern Karl

Mein Herr und Dauphin, dem es Gott gegeben,

Wird königlich einziehen zu Paris,

Von allen Großen seines Reichs begleitet.

– Jetzt Herold, geh und mach dich eilends fort,

Denn eh du noch das Lager magst erreichen,

Und Botschaft bringen, ist die Jungfrau dort,

Und pflanzt in Orleans das Siegeszeichen.


Sie geht, alles setzt sich in Bewegung, der Vorhang fällt.[728]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 727-729.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Jungfrau von Orleans
Die Jungfrau von Orleans
Die Jungfrau von Orleans: Reclam XL - Text und Kontext
Die Jungfrau von Orleans: Eine romantische Tragödie (Suhrkamp BasisBibliothek)
Maria Stuart / Die Jungfrau von Orleans (Fischer Klassik)
Klassische Dramen: Maria Stuart / Jungfrau von Orleans / Wilhelm Tell (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon