Zehnter Auftritt


[744] Dunois und La Hire zu den Vorigen.


DUNOIS.

Wende dich, Burgund!

Mit Männern kämpfe, nicht mit Jungfrauen.

LA HIRE.

Wir schützen der Prophetin heilig Haupt,

Erst muß dein Degen diese Brust durchbohren –

BURGUND.

Nicht diese buhlerische Circe fürcht ich,[744]

Noch euch, die sie so schmipflich hat verwandelt.

Erröte, Bastard, Schande dir, La Hire,

Daß du die alte Tapferkeit zu Künsten

Der Höll erniedrigst, den verächtlichen

Schildknappen einer Teufelsdirne machst.

Kommt her! Euch allen biet ichs! Der verzweifelt

An Gottes Schutz, der zu dem Teufel flieht.


Sie bereiten sich zum Kampf, Johanna tritt dazwischen.


JOHANNA.

Haltet inne!

BURGUND.

Zitterst du für deinen Buhlen?

Vor deinen Augen soll er –


Dringt auf Dunois ein.


JOHANNA.

Haltet inne!

Trennt sie, La Hire – Kein französisch Blut soll fließen!

Nicht Schwerter sollen diesen Streit entscheiden.

Ein andres ist beschlossen in den Sternen –

Auseinander sag ich – Höret und verehrt

Den Geist, der mich ergreift, der aus mir redet!

DUNOIS.

Was hältst du meinen aufgehobnen Arm,

Und hemmst des Schwertes blutige Entscheidung?

Das Eisen ist gezückt, es fällt der Streich,

Der Frankreich rächen und versöhnen soll.

JOHANNA stellt sich in die Mitte und trennt beide Teile durch einen weiten Zwischenraum, zum Bastard.

Tritt auf die Seite!


Zu La Hire.


Bleib gefesselt stehen!

Ich habe mit dem Herzoge zu reden.


Nachdem alles ruhig ist.


Was willst du tun, Burgund? Wer ist der Feind,

Den deine Blicke mordbegierig suchen?

Dieser edle Prinz ist Frankreichs Sohn wie du

Dieser Tapfre ist dein Waffenfreund und Landsmann,

Ich selbst bin deines Vaterlandes Tochter.

Wir alle, die du zu vertilgen strebst,

Gehören zu den Deinen – unsre Arme

Sind aufgetan dich zu empfangen, unsre Knie

Bereit dich zu verehren – unser Schwert

Hat keine Spitze gegen dich. Ehrwürdig[745]

Ist uns das Antlitz, selbst im Feindeshelm,

Das unsers Königs teure Züge trägt.

BURGUND.

Mit süßer Rede schmeichlerischem Ton

Willst du Sirene! deine Opfer locken.

Arglistge, mich betörst du nicht. Verwahrt

Ist mir das Ohr vor deiner Rede Schlingen

Und deines Auges Feuerpfeile gleiten

Am guten Harnisch meines Busens ab.

Zu den Waffen, Dunois!

Mit Streichen nicht mit Worten laß uns fechten.

DUNOIS.

Erst Worte und dann Streiche. Fürchtest du

Vor Worten dich? Auch das ist Feigheit

Und der Verräter einer bösen Sache.

JOHANNA.

Uns treibt nicht die gebieterische Not

Zu deinen Füßen, nicht als Flehende

Erscheinen wir vor dir. – Blick um dich her!

In Asche liegt das engelländsche Lager,

Und eure Toten decken das Gefild.

Du hörst der Franken Kriegstrommete tönen,

Gott hat entschieden, unser ist der Sieg.

Des schönen Lorbeers frisch gebrochnen Zweig

Sind wir bereit, mit unserm Freund zu teilen.

– O komm herüber! Edler Flüchtling komm!

Herüber, wo das Recht ist und der Sieg.

Ich selbst, die Gottgesandte, reiche dir

Die schwesterliche Hand. Ich will dich rettend

Herüberziehn auf unsre reine Seite! –

Der Himmel ist für Frankreich. Seine Engel,

Du siehst sie nicht, sie fechten für den König,

Sie alle sind mit Lilien geschmückt,

Lichtweiß wie diese Fahn ist unsre Sache,

Die reine Jungfrau ist ihr keusches Sinnbild.

BURGUND.

Verstrickend ist der Lüge trüglich Wort,

Doch ihre Rede ist wie eines Kindes.

Wenn böse Geister ihr die Worte leihn,

So ahmen sie die Unschuld siegreich nach.[746]

Ich will nicht weiter hören. Zu den Waffen!

Mein Ohr, ich fühls, ist schwächer als mein Arm.

JOHANNA.

Du nennst mich eine Zauberin, gibst mir Künste

Der Hölle schuld – Ist Frieden stiften, Haß

Versöhnen ein Geschäft der Hölle? Kommt

Die Eintracht aus dem ewgen Pfuhl hervor?

Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut,

Wenn es der Kampf nicht ist ums Vaterland?

Seit wann ist die Natur so mit sich selbst

Im Streite, daß der Himmel die gerechte Sache

Verläßt, und daß die Teufel sie beschützen?

Ist aber das, was ich dir sage, gut,

Wo anders als von oben konnt ichs schöpfen?

Wer hätte sich auf meiner Schäfertrift

Zu mir gesellt, das kindsche Hirtenmädchen

In königlichen Dingen einzuweihn?

Ich bin vor hohen Fürsten nie gestanden,

Die Kunst der Rede ist dem Munde fremd.

Doch jetzt, da ichs bedarf dich zu bewegen,

Besitz ich Einsicht, hoher Dinge Kunde,

Der Länder und der Könige Geschick

Liegt sonnenhell vor meinem Kindesblick,

Und einen Donnerkeil führ ich im Munde.

BURGUND lebhaft bewegt, schlägt die Augen zu ihr auf und betrachtet sie mit Erstaunen und Rührung.

Wie wird mir? Wie geschieht mir? Ists ein Gott,

Der mir das Herz im tiefsten Busen wendet!

– Sie trügt nicht, diese rührende Gestalt!

Nein! Nein! Bin ich durch Zaubers Macht geblendet,

So ists durch eine himmlische Gewalt,

Mir sagts das Herz, sie ist von Gott gesendet.

JOHANNA.

Er ist gerührt, er ists! Ich habe nicht

Umsonst gefleht, des Zornes Donnerwolke schmilzt

Von seiner Stirne tränentauend hin,

Und aus den Augen, Friede strahlend, bricht

Die goldne Sonne des Gefühls hervor.[747]

– Weg mit den Waffen – drücket Herz an Herz –

Er weint, er ist bezwungen, er ist unser!


Schwert und Fahne entsinken ihr, sie eilt auf ihn zu mit ausgebreiteten Armen und umschlingt ihn mit leidenschaftlichem Ungestüm. La Hire und Dunois lassen die Schwerter fallen und eilen ihn zu umarmen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 744-748.
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