[749] Karl. Agnes Sorel. Du Chatel, der Erzbischof und Chatillon zu den Vorigen.
KARL zu Chatillon.
Er kommt! Er will als seinen König mich
Erkennen, sagt Ihr, und mir huldigen?[749]
CHATILLON.
Hier, Sire, in deiner königlichen Stadt
Chalons will sich der Herzog, mein Gebieter,
Zu deinen Füßen werfen. – Mir befahl er,
Als meinen Herrn und König dich zu grüßen,
Er folgt mir auf dem Fuß, gleich naht er selbst.
SOREL.
Er kommt! O schöne Sonne dieses Tags,
Der Freude bringt und Frieden und Versöhnung!
CHATILLON.
Mein Herr wird kommen mit zweihundert Rittern,
Er wird zu deinen Füßen niederknien,
Doch er erwartet, daß du es nicht duldest,
Als deinen Vetter freundlich ihn umarmest.
KARL.
Mein Herz glüht, an dem seinigen zu schlagen.
CHATILLON.
Der Herzog bittet, daß des alten Streits
Beim ersten Wiedersehn mit keinem Worte
Meldung gescheh!
KARL.
Versenkt im Lethe sei
Auf ewig das Vergangene. Wir wollen
Nur in der Zukunft heitre Tage sehn.
CHATILLON.
Die für Burgund gefochten, alle sollen
In die Versöhnung aufgenommen sein.
KARL.
Ich werde so mein Königreich verdoppeln!
CHATILLON.
Die Königin Isabeau soll in dem Frieden
Mit eingeschlossen sein, wenn sie ihn annimmt.
KARL.
Sie führet Krieg mit mir, nicht ich mit ihr.
Unser Streit ist aus, sobald sie selbst ihn endigt.
CHATILLON.
Zwölf Ritter sollen bürgen für dein Wort.
KARL.
Mein Wort ist heilig.
CHATILLON.
Und der Erzbischof
Soll eine Hostie teilen zwischen dir und ihm,
Zum Pfand und Siegel redlicher Versöhnung.
KARL.
So sei mein Anteil an dem ewgen Heil,
Als Herz und Handschlag bei mir einig sind.
Welch andres Pfand verlangt der Herzog noch?
CHATILLON mit einem Blick auf Du Chatel.
Hier seh ich einen, dessen Gegenwart
Den ersten Gruß vergiften könnte.
[750] Du Chatel geht schweigend.
KARL.
Geh,
Du Chatel! Bis der Herzog deinen Anblick
Ertragen kann, magst du verborgen bleiben!
Er folgt ihm mit den Augen, dann eilt er ihm nach und umarmt ihn.
Rechtschaffner Freund! Du wolltest mehr als dies
Für meine Ruhe tun!
Du Chatel geht ab.
CHATILLON.
Die andern Punkte nennt dies Instrument.
KARL zum Erzbischof.
Bringt es in Ordnung. Wir genehmgen alles,
Für einen Freund ist uns kein Preis zu hoch.
Geht, Dunois! Nehmt hundert edle Ritter
Mit Euch und holt den Herzog freundlich ein.
Die Truppen alle sollen sich mit Zweigen
Bekränzen, ihre Brüder zu empfangen.
Zum Feste schmücke sich die ganze Stadt,
Und alle Glocken sollen es verkünden,
Daß Frankreich und Burgund sich neu verbünden.
Ein Edelknecht kommt. Man hört Trompeten.
Horch! Was bedeutet der Trompeten Ruf?
EDELKNECHT.
Der Herzog von Burgund hält seinen Einzug.
Geht ab.
DUNOIS geht mit La Hire und Chatillon.
Auf! Ihm entgegen!
KARL zur Sorel.
Agnes, du weinst? Beinah gebricht auch mir
Die Stärke, diesen Auftritt zu ertragen.
Wie viele Todesopfer mußten fallen,
Bis wir uns friedlich konnten wiedersehn.
Doch endlich legt sich jedes Sturmes Wut,
Tag wird es auf die dickste Nacht, und kommt
Die Zeit, so reifen auch die spätsten Früchte!
ERZBISCHOF am Fenster.
Der Herzog kann sich des Gedränges kaum
Erledigen. Sie heben ihn vom Pferd,
Sie küssen seinen Mantel, seine Sporen.
KARL.
Es ist ein gutes Volk, in seiner Liebe
Raschlodernd wie in seinem Zorn. – Wie schnell[751]
Vergessen ists, daß eben dieser Herzog
Die Väter ihnen und die Söhne schlug,
Der Augenblick verschlingt ein ganzes Leben!
– Faß dich, Sorel! Auch deine heftge Freude
Möcht ihm ein Stachel in die Seele sein,
Nichts soll ihn hier beschämen, noch betrüben.
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