[802] Ein Edelmann zu den Vorigen, hernach Raimond.
EDELMANN.
Ein junger Schäfer fragt nach deiner Hoheit,
Er fodert dringend, mit dir selbst zu reden,
Er komme, sagt er, von der Jungfrau –
DUNOIS.
Eile!
Bring ihn herein! Er kommt von ihr!
Edelmann öffnet dem Raimond die Türe, Dunois eilt ihm entgegen.
Wo ist sie?
Wo ist die Jungfrau?
RAIMOND.
Heil Euch, edler Prinz,
Und Heil mir, daß ich diesen frommen Bischof,
Den heilgen Mann, den Schirm der Unterdrückten,
Den Vater der Verlaßnen bei Euch finde!
DUNOIS.
Wo ist die Jungfrau?
ERZBISCHOF.
Sag es uns, mein Sohn!
RAIMOND.
Herr, sie ist keine schwarze Zauberin!
Bei Gott und allen Heiligen bezeug ichs.
Im Irrtum ist das Volk. Ihr habt die Unschuld
Verbannt, die Gottgesendete verstoßen!
DUNOIS.
Wo ist sie? Sage!
RAIMOND.
Ihr Gefährte war ich
Auf ihrer Flucht in dem Ardennerwald,
Mir hat sie dort ihr Innerstes gebeichtet.
In Martern will ich sterben, meine Seele
Hab keinen Anteil an dem ewgen Heil,
Wenn sie nicht rein ist, Herr, von aller Schuld!
DUNOIS.
Die Sonne selbst am Himmel ist nicht reiner!
Wo ist sie, sprich!
RAIMOND.
O wenn Euch Gott das Herz[802]
Gewendet hat – So eilt! So rettet sie!
Sie ist gefangen bei den Engelländern.
DUNOIS.
Gefangen! Was!
ERZBISCHOF.
Die Unglückselige!
RAIMOND.
In den Ardennen, wo wir Obdach suchten,
Ward sie ergriffen von der Königin,
Und in der Engelländer Hand geliefert.
O rettet sie, die euch gerettet hat,
Von einem grausenvollen Tode!
DUNOIS.
Zu den Waffen! Auf! Schlagt Lärmen! Rührt die Trommeln!
Führt alle Völker ins Gefecht! Ganz Frankreich
Bewaffne sich! Die Ehre ist verpfändet
Die Krone, das Palladium entwendet,
Setzt alles Blut! setzt euer Leben ein!
Frei muß sie sein, noch eh der Tag sich endet!
Gehen ab.
Ein Wartturm, oben eine Öffnung.
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