[132] Die Königin. Marquis von Posa.
KÖNIGIN voll Verwunderung.
Wie? Darf ich meinen Augen trauen, Marquis?
Sie an mich abgeschickt vom König?[132]
MARQUIS.
Dünkt
Das Ihre Majestät so sonderbar?
Mir ganz und gar nicht.
KÖNIGIN.
Nun, so ist die Welt
Aus ihrer Bahn gewichen. Sie und er –
Ich muß gestehen –
MARQUIS.
Daß es seltsam klingt?
Das mag wohl sein. – Die gegenwärtge Zeit
Ist noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar.
KÖNIGIN.
An größern kaum.
MARQUIS.
Gesetzt, ich hätte mich
Bekehren lassen endlich – wär es müde,
An Philipps Hof den Sonderling zu spielen?
Den Sonderling! Was heißt auch das? Wer sich
Den Menschen nützlich machen will, muß doch
Zuerst sich ihnen gleichzustellen suchen.
Wozu der Sekte prahlerische Tracht?
Gesetzt – Wer ist von Eitelkeit so frei,
Um nicht für seinen Glauben gern zu werben? –
Gesetzt, ich ginge damit um, den meinen
Auf einen Thron zu setzen?
KÖNIGIN.
Nein! – Nein, Marquis.
Auch nicht einmal im Scherze möcht ich dieser
Unreifen Einbildung Sie zeihn. Sie sind
Der Träumer nicht, der etwas unternähme,
Was nicht geendigt werden kann.
MARQUIS.
Das eben
Wär noch die Frage, denk ich.
KÖNIGIN.
Was ich höchstens
Sie zeihen könnte, Marquis – was von Ihnen
Mich fast befremden könnte, wäre – wäre –
MARQUIS.
Zweideutelei. Kann sein.
KÖNIGIN.
Unredlichkeit
Zum wenigsten. Der König wollte mir
Wahrscheinlich nicht durch Sie entbieten lassen,
Was Sie mir sagen werden.[133]
MARQUIS.
Nein.
KÖNIGIN.
Und kann
Die gute Sache schlimme Mittel adeln?
Kann sich – verzeihen Sie mir diesen Zweifel –
Ihr edler Stolz zu diesem Amte borgen?
Kaum glaub ich es. –
MARQUIS.
Auch ich nicht, wenn es hier
Nur gelten soll, den König zu betrügen.
Doch das ist meine Meinung nicht. Ihm selbst
Gedenk ich diesmal redlicher zu dienen,
Als er mir aufgetragen hat.
KÖNIGIN.
Daran
Erkenn ich Sie, und nun genug! Was macht er?
MARQUIS.
Der König? – Wie es scheint, bin ich sehr bald
An meiner strengen Richterin gerächt.
Was ich so sehr nicht zu erzählen eile,
Eilt Ihre Majestät, wie mir geschienen,
Noch weit, weit weniger zu hören. – Doch
Gehört muß es doch werden! Der Monarch
Läßt Ihre Majestät ersuchen, dem
Ambassadeur von Frankreich kein Gehör
Für heute zu bewilligen. Das war
Mein Auftrag. Er ist abgetan.
KÖNIGIN.
Und das
Ist alles, Marquis, was Sie mir von ihm
Zu sagen haben?
MARQUIS.
Alles ungefähr,
Was mich berechtigt, hierzusein.
KÖNIGIN.
Ich will
Mich gern bescheiden, Marquis, nicht zu wissen,
Was mir vielleicht Geheimnis bleiben muß –
MARQUIS.
Das muß es, meine Königin – Zwar, wären
Sie nicht Sie selbst, ich würde eilen, Sie
Von eingen Dingen zu belehren, vor
Gewissen Menschen Sie zu warnen – doch
Das braucht es nicht bei Ihnen. Die Gefahr[134]
Mag auf- und untergehen um Sie her,
Sie sollens nie erfahren. Alles dies
Ist ja nicht so viel wert, den goldnen Schlaf
Von eines Engels Stirne zu verjagen.
Auch war es das nicht, was mich hergeführt.
Prinz Carlos –
KÖNIGIN.
Wie verließen Sie ihn?
MARQUIS.
Wie
Den einzgen Weisen seiner Zeit, dem es
Verbrechen ist, die Wahrheit anzubeten –
Und ebenso beherzt, für seine Liebe,
Wie jener für die seinige zu sterben.
Ich bringe wenig Worte – aber hier,
Hier ist er selbst.
Er gibt der Königin einen Brief.
KÖNIGIN nachdem sie ihn gelesen.
Er muß mich sprechen, sagt er.
MARQUIS.
Das sag ich auch.
KÖNIGIN.
Wird es ihn glücklich machen,
Wenn er mit seinen Augen sieht, daß ich
Es auch nicht bin?
MARQUIS.
Nein – aber tätiger
Soll es ihn machen und entschloßner.
KÖNIGIN.
Wie?
MARQUIS.
Der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern.
KÖNIGIN.
Ernannt – so hör ich.
MARQUIS.
Widerrufen kann
Der König nie. Wir kennen ja den König.
Doch wahr ists auch: Hier darf der Prinz nicht bleiben –
Hier nicht, jetzt vollends nicht – und Flandern darf
Nicht aufgeopfert werden.
KÖNIGIN.
Wissen Sie
Es zu verhindern?
MARQUIS.
Ja – vielleicht. Das Mittel
Ist fast so schlimm als die Gefahr. Es ist
Verwegen wie Verzweiflung. – Doch ich weiß[135]
Von keinem andern.
KÖNIGIN.
Nennen Sie mirs.
MARQUIS.
Ihnen,
Nur Ihnen, meine Königin, wag ich
Es zu entdecken. Nur von Ihnen kann
Es Carlos hören, ohne Abscheu hören.
Der Name freilich, den es führen wird,
Klingt etwas rauh –
KÖNIGIN.
Rebellion
MARQUIS.
Er soll
Dem König ungehorsam werden, soll
Nach Brüssel heimlich sich begeben, wo
Mit offnen Armen die Flamänder ihn
Erwarten. Alle Niederlande stehen
Auf seine Losung auf. Die gute Sache
Wird stark durch einen Königssohn. Er mache
Den span'schen Thron durch seine Waffen zittern.
Was in Madrid der Vater ihm verweigert,
Wird er in Brüssel ihm bewilligen.
KÖNIGIN.
Sie sprachen
Ihn heute und behaupten das?
MARQUIS.
Weil ich
Ihn heute sprach.
KÖNIGIN nach einer Pause.
Der Plan, den Sie mir zeigen,
Erschreckt und – reizt mich auch zugleich. Ich glaube,
Daß Sie nicht unrecht haben. – Die Idee
Ist kühn, und eben darum, glaub ich,
Gefällt sie mir. Ich will sie reifen lassen.
Weiß sie der Prinz?
MARQUIS.
Er sollte, war mein Plan,
Aus Ihrem Mund zum erstenmal sie hören.
KÖNIGIN.
Unstreitig! Die Idee ist groß. – Wenn anders
Des Prinzen Jugend –
MARQUIS.
Schadet nichts. Er findet
Dort einen Egmont und Oranien,[136]
Die braven Krieger Kaiser Karls, so klug
Im Kabinett als fürchterlich im Felde.
KÖNIGIN mit Lebhaftigkeit.
Nein! die Idee ist groß und schön – Der Prinz
Muß handeln. Lebhaft fühl ich das. Die Rolle,
Die man hier in Madrid ihn spielen sieht,
Drückt mich an seiner Statt zu Boden – Frankreich
Versprech ich ihm; Savoyen auch. Ich bin
Ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln. –
Doch dieser Anschlag fordert Geld.
MARQUIS.
Auch das liegt schon
Bereit –
KÖNIGIN.
Und dazu weiß ich Rat.
MARQUIS.
So darf ich
Zu der Zusammenkunft ihm Hoffnung geben?
KÖNIGIN.
Ich will mirs überlegen.
MARQUIS.
Carlos dringt
Auf Antwort, Ihro Majestät. – Ich hab
Ihm zugesagt, nicht leer zurückzukehren.
Seine Schreibtafel der Königin reichend.
Zwo Zeilen sind für jetzt genug –
KÖNIGIN nachdem sie geschrieben.
Werd ich
Sie wiedersehn?
MARQUIS.
So oft Sie es befehlen.
KÖNIGIN.
So oft – so oft ich es befehle? – Marquis!
Wie muß ich diese Freiheit mir erklären?
MARQUIS.
So arglos, als Sie immer können. Wir
Genießen sie, das ist genug – das ist
Für meine Königin genug.
KÖNIGIN abbrechend.
Wie sollt es
Mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich
Noch diese Zuflucht in Europa bliebe!
Wenn sie durch ihn es bliebe! – Rechnen Sie
Auf meinen stillen Anteil –
MARQUIS mit Feuer.
O, ich wußt es,
Ich mußte hier verstanden werden –
[137] Herzogin Olvarez erscheint an der Türe.
KÖNIGIN fremd zum Marquis.
Was
Von meinem Herrn, dem König, kommt, werd ich
Als ein Gesetz verehren. Gehen Sie,
Ihm meine Unterwerfung zu versichern!
Sie gibt ihm einen Wink. Der Marquis, geht ab.
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