Dritter Auftritt


[132] Die Königin. Marquis von Posa.


KÖNIGIN voll Verwunderung.

Wie? Darf ich meinen Augen trauen, Marquis?

Sie an mich abgeschickt vom König?[132]

MARQUIS.

Dünkt

Das Ihre Majestät so sonderbar?

Mir ganz und gar nicht.

KÖNIGIN.

Nun, so ist die Welt

Aus ihrer Bahn gewichen. Sie und er –

Ich muß gestehen –

MARQUIS.

Daß es seltsam klingt?

Das mag wohl sein. – Die gegenwärtge Zeit

Ist noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar.

KÖNIGIN.

An größern kaum.

MARQUIS.

Gesetzt, ich hätte mich

Bekehren lassen endlich – wär es müde,

An Philipps Hof den Sonderling zu spielen?

Den Sonderling! Was heißt auch das? Wer sich

Den Menschen nützlich machen will, muß doch

Zuerst sich ihnen gleichzustellen suchen.

Wozu der Sekte prahlerische Tracht?

Gesetzt – Wer ist von Eitelkeit so frei,

Um nicht für seinen Glauben gern zu werben? –

Gesetzt, ich ginge damit um, den meinen

Auf einen Thron zu setzen?

KÖNIGIN.

Nein! – Nein, Marquis.

Auch nicht einmal im Scherze möcht ich dieser

Unreifen Einbildung Sie zeihn. Sie sind

Der Träumer nicht, der etwas unternähme,

Was nicht geendigt werden kann.

MARQUIS.

Das eben

Wär noch die Frage, denk ich.

KÖNIGIN.

Was ich höchstens

Sie zeihen könnte, Marquis – was von Ihnen

Mich fast befremden könnte, wäre – wäre –

MARQUIS.

Zweideutelei. Kann sein.

KÖNIGIN.

Unredlichkeit

Zum wenigsten. Der König wollte mir

Wahrscheinlich nicht durch Sie entbieten lassen,

Was Sie mir sagen werden.[133]

MARQUIS.

Nein.

KÖNIGIN.

Und kann

Die gute Sache schlimme Mittel adeln?

Kann sich – verzeihen Sie mir diesen Zweifel –

Ihr edler Stolz zu diesem Amte borgen?

Kaum glaub ich es. –

MARQUIS.

Auch ich nicht, wenn es hier

Nur gelten soll, den König zu betrügen.

Doch das ist meine Meinung nicht. Ihm selbst

Gedenk ich diesmal redlicher zu dienen,

Als er mir aufgetragen hat.

KÖNIGIN.

Daran

Erkenn ich Sie, und nun genug! Was macht er?

MARQUIS.

Der König? – Wie es scheint, bin ich sehr bald

An meiner strengen Richterin gerächt.

Was ich so sehr nicht zu erzählen eile,

Eilt Ihre Majestät, wie mir geschienen,

Noch weit, weit weniger zu hören. – Doch

Gehört muß es doch werden! Der Monarch

Läßt Ihre Majestät ersuchen, dem

Ambassadeur von Frankreich kein Gehör

Für heute zu bewilligen. Das war

Mein Auftrag. Er ist abgetan.

KÖNIGIN.

Und das

Ist alles, Marquis, was Sie mir von ihm

Zu sagen haben?

MARQUIS.

Alles ungefähr,

Was mich berechtigt, hierzusein.

KÖNIGIN.

Ich will

Mich gern bescheiden, Marquis, nicht zu wissen,

Was mir vielleicht Geheimnis bleiben muß –

MARQUIS.

Das muß es, meine Königin – Zwar, wären

Sie nicht Sie selbst, ich würde eilen, Sie

Von eingen Dingen zu belehren, vor

Gewissen Menschen Sie zu warnen – doch

Das braucht es nicht bei Ihnen. Die Gefahr[134]

Mag auf- und untergehen um Sie her,

Sie sollens nie erfahren. Alles dies

Ist ja nicht so viel wert, den goldnen Schlaf

Von eines Engels Stirne zu verjagen.

Auch war es das nicht, was mich hergeführt.

Prinz Carlos –

KÖNIGIN.

Wie verließen Sie ihn?

MARQUIS.

Wie

Den einzgen Weisen seiner Zeit, dem es

Verbrechen ist, die Wahrheit anzubeten –

Und ebenso beherzt, für seine Liebe,

Wie jener für die seinige zu sterben.

Ich bringe wenig Worte – aber hier,

Hier ist er selbst.


Er gibt der Königin einen Brief.


KÖNIGIN nachdem sie ihn gelesen.

Er muß mich sprechen, sagt er.

MARQUIS.

Das sag ich auch.

KÖNIGIN.

Wird es ihn glücklich machen,

Wenn er mit seinen Augen sieht, daß ich

Es auch nicht bin?

MARQUIS.

Nein – aber tätiger

Soll es ihn machen und entschloßner.

KÖNIGIN.

Wie?

MARQUIS.

Der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern.

KÖNIGIN.

Ernannt – so hör ich.

MARQUIS.

Widerrufen kann

Der König nie. Wir kennen ja den König.

Doch wahr ists auch: Hier darf der Prinz nicht bleiben –

Hier nicht, jetzt vollends nicht – und Flandern darf

Nicht aufgeopfert werden.

KÖNIGIN.

Wissen Sie

Es zu verhindern?

MARQUIS.

Ja – vielleicht. Das Mittel

Ist fast so schlimm als die Gefahr. Es ist

Verwegen wie Verzweiflung. – Doch ich weiß[135]

Von keinem andern.

KÖNIGIN.

Nennen Sie mirs.

MARQUIS.

Ihnen,

Nur Ihnen, meine Königin, wag ich

Es zu entdecken. Nur von Ihnen kann

Es Carlos hören, ohne Abscheu hören.

Der Name freilich, den es führen wird,

Klingt etwas rauh –

KÖNIGIN.

Rebellion

MARQUIS.

Er soll

Dem König ungehorsam werden, soll

Nach Brüssel heimlich sich begeben, wo

Mit offnen Armen die Flamänder ihn

Erwarten. Alle Niederlande stehen

Auf seine Losung auf. Die gute Sache

Wird stark durch einen Königssohn. Er mache

Den span'schen Thron durch seine Waffen zittern.

Was in Madrid der Vater ihm verweigert,

Wird er in Brüssel ihm bewilligen.

KÖNIGIN.

Sie sprachen

Ihn heute und behaupten das?

MARQUIS.

Weil ich

Ihn heute sprach.

KÖNIGIN nach einer Pause.

Der Plan, den Sie mir zeigen,

Erschreckt und – reizt mich auch zugleich. Ich glaube,

Daß Sie nicht unrecht haben. – Die Idee

Ist kühn, und eben darum, glaub ich,

Gefällt sie mir. Ich will sie reifen lassen.

Weiß sie der Prinz?

MARQUIS.

Er sollte, war mein Plan,

Aus Ihrem Mund zum erstenmal sie hören.

KÖNIGIN.

Unstreitig! Die Idee ist groß. – Wenn anders

Des Prinzen Jugend –

MARQUIS.

Schadet nichts. Er findet

Dort einen Egmont und Oranien,[136]

Die braven Krieger Kaiser Karls, so klug

Im Kabinett als fürchterlich im Felde.

KÖNIGIN mit Lebhaftigkeit.

Nein! die Idee ist groß und schön – Der Prinz

Muß handeln. Lebhaft fühl ich das. Die Rolle,

Die man hier in Madrid ihn spielen sieht,

Drückt mich an seiner Statt zu Boden – Frankreich

Versprech ich ihm; Savoyen auch. Ich bin

Ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln. –

Doch dieser Anschlag fordert Geld.

MARQUIS.

Auch das liegt schon

Bereit –

KÖNIGIN.

Und dazu weiß ich Rat.

MARQUIS.

So darf ich

Zu der Zusammenkunft ihm Hoffnung geben?

KÖNIGIN.

Ich will mirs überlegen.

MARQUIS.

Carlos dringt

Auf Antwort, Ihro Majestät. – Ich hab

Ihm zugesagt, nicht leer zurückzukehren.


Seine Schreibtafel der Königin reichend.


Zwo Zeilen sind für jetzt genug –

KÖNIGIN nachdem sie geschrieben.

Werd ich

Sie wiedersehn?

MARQUIS.

So oft Sie es befehlen.

KÖNIGIN.

So oft – so oft ich es befehle? – Marquis!

Wie muß ich diese Freiheit mir erklären?

MARQUIS.

So arglos, als Sie immer können. Wir

Genießen sie, das ist genug – das ist

Für meine Königin genug.

KÖNIGIN abbrechend.

Wie sollt es

Mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich

Noch diese Zuflucht in Europa bliebe!

Wenn sie durch ihn es bliebe! – Rechnen Sie

Auf meinen stillen Anteil –

MARQUIS mit Feuer.

O, ich wußt es,

Ich mußte hier verstanden werden –


[137] Herzogin Olvarez erscheint an der Türe.


KÖNIGIN fremd zum Marquis.

Was

Von meinem Herrn, dem König, kommt, werd ich

Als ein Gesetz verehren. Gehen Sie,

Ihm meine Unterwerfung zu versichern!


Sie gibt ihm einen Wink. Der Marquis, geht ab.


Galerie.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 132-138.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Don Carlos, Infant von Spanien
Schillers sämtliche Werke: Band III. Metrische Übersetzungen. Don Carlos, Infant von Spanien
Don Carlos. Infant von Spanien: Textausgabe mit Materialien
Don Carlos, Infant von Spanien. (Mit Erläuterungen)
Don Carlos, Infant von Spanien
Schillers Don Carlos, Infant von Spanien : ein dramatisches Gedicht

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon