|
[551] Hanna Kennedy, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mit Paulet, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen. Drugeon Drury, sein Gehilfe, mit Brecheisen.
KENNEDY.
Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!
Zurück von diesem Schrank!
PAULET.
Wo kam der Schmuck her?
Vom obern Stock ward er herabgeworfen,
Der Gärtner hat bestochen werden sollen
Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!
Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen,
Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!
Sich über den Schrank machend.
Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!
KENNEDY.
Zurück, Verwegner!
Hier liegen die Geheimnisse der Lady.
PAULET.
Die eben such ich.
Schriften hervorziehend.
KENNEDY.
Unbedeutende
Papiere, bloße Übungen der Feder,
Des Kerkers traurge Weile zu verkürzen.
PAULET.
In müßger Weile schafft der böse Geist.
KENNEDY.
Es sind französische Schriften.
PAULET.
Desto schlimmer!
Die Sprache redet Englands Feind.
KENNEDY.
Konzepte
Von Briefen an die Königin von England.
PAULET.
Die überliefr ich – Sieh! Was schimmert hier?
Er hat einen geheimen Ressort geöffnet, und zieht aus einem verborgnen Fach Geschmeide hervor.
Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,[551]
Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!
Er gibt es seinem Begleiter.
Verwahrts, Drury. Legts zu dem übrigen!
Drury geht ab.
KENNEDY.
O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!
PAULET.
Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,
Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.
KENNEDY.
Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck
Aus unserm Leben weg! Die Jammervolle
Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,
Denn alles andre habt Ihr uns entrissen.
PAULET.
Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft
Wird es zu seiner Zeit zurückgegeben!
KENNEDY.
Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,
Daß eine Königin hier wohnt? Wo ist
Die Himmeldecke über ihrem Sitz?
Muß sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß
Nicht auf gemeinen rauhen Boden setzen?
Mit grobem Zinn, die schlechtste Edelfrau
Würd es verschmähn, bedient man ihre Tafel.
PAULET.
So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,
Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.
KENNEDY.
Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.
PAULET.
Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,
Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.
KENNEDY.
An Büchern fehlts, den Geist zu unterhalten.
PAULET.
Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.
KENNEDY.
Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.
PAULET.
Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.
KENNEDY.
Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,
Die in der Wiege Königin schon war,
Am üppgen Hof der Mediceerin
In jeder Freuden Fülle aufgewachsen.
Es sei genug, daß man die Macht ihr nahm,
Muß man die armen Flitter ihr mißgönnen?
In großes Unglück lehrt ein edles Herz[552]
Sich endlich finden, aber wehe tuts,
Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.
PAULET.
Sie wenden nur das Herz dem Eitlen zu,
Das in sich gehen und bereuen soll.
Ein üppig lastervolles Leben büßt sich
In Mangel und Erniedrigung allein.
KENNEDY.
Wenn ihre zarte Jugend sich verging,
Mag sies mit Gott abtun und ihrem Herzen,
In England ist kein Richter über sie.
PAULET.
Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.
KENNEDY.
Zum Freveln fesseln sie zu enge Bande.
PAULET.
Doch wußte sie aus diesen engen Banden
Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel
Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern,
Und gegen unsre Königin, die Gott
Erhalte! Meuchelrotten zu bewaffnen.
Erregte sie aus diesen Mauern nicht
Den Böswicht Parry und den Babington
Zu der verfluchten Tat des Königsmords?
Hielt dieses Eisengitter sie zurück,
Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?
Für sie geopfert fiel das beste Haupt
Auf dieser Insel unterm Henkerbeil –
Und schreckte dieses jammervolle Beispiel
Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd
Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?
Die Blutgerüste füllen sich für sie
Mit immer neuen Todesopfern an,
Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,
Die Schuldigste, darauf geopfert ist.
– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste
Gastfreundlich diese Helena empfing.
KENNEDY.
Gastfreundlich hätte England sie empfangen?
Die Unglückselige, die seit dem Tag,
Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,
Als eine Hilfeflehende, Vertriebne[553]
Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,
Sich wider Völkerrecht und Königswürde
Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft
Der Jugend schöne Jahre muß vertrauern. –
Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,
Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinen
Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken
Gefodert wird und schimpflich angeklagt
Auf Leib und Leben – eine Königin!
PAULET.
Sie kam ins Land als eine Mörderin,
Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,
Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.
Verschworen kam sie gegen Englands Glück,
Der spanischen Maria blutge Zeiten
Zurückzubringen, Engelland katholisch
Zu machen, an den Franzmann zu verraten.
Warum verschmähte sies, den Edinburger
Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch
An England aufzugeben, und den Weg
Aus diesem Kerker schnell sich aufzutun
Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber
Gefangen bleiben, sich mißhandelt sehn,
Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.
Weswegen tat sie das? Weil sie den Ränken
Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,
Und unheilspinnend diese ganze Insel
Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.
KENNEDY.
Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr noch
Den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme
Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,
Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute,
Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,
Die erst seit kurzem einen neuen Wächter
Erhielt in Eurem rauhen Anverwandten,[554]
Von neuen Stäben sich umgittert sieht –
PAULET.
Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.
Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,
Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,
Von außen fest, nicht hohl von innen sind,
Und den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,
Die unheilbrütend Listige zu hüten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe
Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu,
Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahrmachen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.
Denn lieber möcht ich der Verdammten Schar
Wachstehend an der Höllenpforte hüten,
Als diese ränkevolle Königin!
KENNEDY.
Da kommt sie selbst!
PAULET.
Den Christus in der Hand,
Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.
Ausgewählte Ausgaben von
Maria Stuart
|
Buchempfehlung
Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.
88 Seiten, 4.20 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro