[619] Graf Shrewsbury zu den Vorigen.
MARIA.
Es ist nicht darum! Gott, mir ist ganz anders
Zumut – Ach edler Shrewsbury! Ihr kommt,
Vom Himmel mir ein Engel zugesendet!
– Ich kann sie nicht sehn! Rettet, rettet mich
Von dem verhaßten Anblick –
SHREWSBURY.
Kommt zu Euch, Königin! Faßt Euren Mut
Zusammen. Das ist die entscheidungsvolle Stunde.
MARIA.
Ich habe drauf geharret – jahrelang
Mich drauf bereitet, alles hab ich mir
Gesagt und ins Gedächtnis eingeschrieben,
Wie ich sie rühren wollte und bewegen!
Vergessen plötzlich, ausgelöscht ist alles,
Nichts lebt in mir in diesem Augenblick,
Als meiner Leiden brennendes Gefühl.
In blutgen Haß gewendet wider sie[619]
Ist mir das Herz, es fliehen alle guten
Gedanken, und die Schlangenhaare schüttelnd
Umstehen mich die finstern Höllengeister.
SHREWSBURY.
Gebietet Eurem wildempörten Blut,
Bezwingt des Herzens Bitterkeit! Es bringt
Nicht gute Frucht, wenn Haß dem Haß begegnet.
Wie sehr auch Euer Innres widerstrebe,
Gehorcht der Zeit und dem Gesetz der Stunde!
Sie ist die Mächtige – demütigt Euch!
MARIA.
Vor ihr! Ich kann es nimmermehr.
SHREWSBURY.
Tuts dennoch!
Sprecht ehrerbietig, mit Gelassenheit!
Ruft ihre Großmut an, trotzt nicht, jetzt nicht
Auf Euer Recht, jetzo ist nicht die Stunde.
MARIA.
Ach mein Verderben hab ich mir erfleht,
Und mir zum Fluche wird mein Flehn erhört!
Nie hätten wir uns sehen sollen, niemals!
Daraus kann nimmer, nimmer Gutes kommen!
Eh mögen Feur und Wasser sich in Liebe
Begegnen und das Lamm den Tiger küssen –
Ich bin zu schwer verletzt – sie hat zu schwer
Beleidigt – Nie ist zwischen uns Versöhnung!
SHREWSBURY.
Seht sie nur erst von Angesicht!
Ich sah es ja, wie sie von Eurem Brief
Erschüttert war, ihr Auge schwamm in Tränen.
Nein, sie ist nicht gefühllos, hegt Ihr selbst
Nur besseres Vertrauen – Darum eben
Bin ich vorausgeeilt, damit ich Euch
In Fassung setzen und ermahnen möchte.
MARIA seine Hand ergreifend.
Ach Talbot! Ihr wart stets mein Freund – daß ich
In Eurer milden Haft geblieben wäre!
Es ward mir hart begegnet, Shrewsbury!
SHREWSBURY.
Vergeßt jetzt alles. Darauf denkt allein,
Wie Ihr sie unterwürfig wollt empfangen.
MARIA.
Ist Burleigh auch mit ihr, mein böser Engel?[620]
SHREWSBURY.
Niemand begleitet sie als Graf von Leicester.
MARIA.
Lord Leicester!
SHREWSBURY.
Fürchtet nichts von ihm. Nicht er
Will Euren Untergang – Sein Werk ist es,
Daß Euch die Königin die Zusammenkunft
Bewilligt.
MARIA.
Ach! Ich wußt es wohl!
SHREWSBURY.
Was sagt Ihr?
PAULET.
Die Königin kommt!
Alles weicht auf die Seite; nur Maria bleibt, auf die Kennedy gelehnt.
Ausgewählte Ausgaben von
Maria Stuart
|
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro