[642] Elisabeth, einen Brief in der Hand. Burleigh.
ELISABETH.
Mich hinzuführen! Solchen Spott mit mir
Zu treiben! Der Verräter! Im Triumph
Vor seiner Buhlerin mich aufzuführen!
O so ward noch kein Weib betrogen, Burleigh!
BURLEIGH.
Ich kann es noch nicht fassen, wie es ihm,
Durch welche Macht, durch welche Zauberkünste
Gelang, die Klugheit meiner Königin
So sehr zu überraschen.
ELISABETH.
O ich sterbe
Für Scham! Wie mußt er meiner Schwäche spotten!
Sie glaubt ich zu erniedrigen und war,
Ich selber, ihres Spottes Ziel!
BURLEIGH.
Du siehst nun ein, wie treu ich dir geraten![642]
ELISABETH.
O ich bin schwer dafür gestraft, daß ich
Von Eurem weisen Rate mich entfernt!
Und sollt ich ihm nicht glauben? In den Schwüren
Der treusten Liebe einen Fallstrick fürchten?
Wem darf ich traun, wenn er mich hinterging?
Er, den ich großgemacht vor allen Großen,
Der mir der Nächste stets am Herzen war,
Dem ich verstattete, an diesem Hof
Sich wie der Herr, der König zu betragen!
BURLEIGH.
Und zu derselben Zeit verriet er dich
An diese falsche Königin von Schottland!
ELISABETH.
O sie bezahle mirs mit ihrem Blut!
– Sagt! Ist das Urteil abgefaßt?
BURLEIGH.
Es liegt
Bereit, wie du befohlen.
ELISABETH.
Sterben soll sie!
Er soll sie fallen sehn, und nach ihr fallen.
Verstoßen hab ich ihn aus meinem Herzen,
Fort ist die Liebe, Rache füllt es ganz.
So hoch er stand, so tief und schmählich sei
Sein Sturz! Er sei ein Denkmal meiner Strenge,
Wie er ein Beispiel meiner Schwäche war.
Man führ ihn nach dem Tower, ich werde Peers
Ernennen, die ihn richten, hingegeben
Sei er der ganzen Strenge des Gesetzes.
BURLEIGH.
Er wird sich zu dir drängen, sich rechtfertgen –
ELISABETH.
Wie kann er sich rechtfertgen? Überführt
Ihn nicht der Brief? O sein Verbrechen ist
Klar wie der Tag!
BURLEIGH.
Doch du bist mild und gnädig,
Sein Anblick, seine mächtge Gegenwart –
ELISABETH.
Ich will ihn nicht sehn. Niemals, niemals wieder!
Habt Ihr Befehl gegeben, daß man ihn
Zurückweist, wenn er kommt?
BURLEIGH.
So ists befohlen!
PAGE tritt ein.
Mylord von Leicester![643]
KÖNIGIN.
Der Abscheuliche!
Ich will ihn nicht sehn. Sagt ihm, daß ich ihn
Nicht sehen will.
PAGE.
Das wag ich nicht, dem Lord
Zu sagen, und er würde mirs nicht glauben.
KÖNIGIN.
So hab ich ihn erhöht, daß meine Diener
Vor seinem Ansehn mehr als meinem zittern!
BURLEIGH zum Pagen.
Die Königin verbiet ihm, sich zu nahn!
Page geht zögernd ab.
KÖNIGIN nach einer Pause.
Wenns dennoch möglich wäre – Wenn er sich
Rechtfertgen könnte! – Sagt mir, könnt es nicht
Ein Fallstrick sein, den mir Maria legte,
Mich mit dem treusten Freunde zu entzwein!
O, sie ist eine abgefeimte Bübin,
Wenn sie den Brief nur schrieb, mir giftgen Argwohn
Ins Herz zu streun, ihn, den sie haßt, ins Unglück
Zu stürzen –
BURLEIGH.
Aber Königin, erwäge –
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