Dritter Auftritt


[361] Gräfin Terzky. Max Piccolomini.


MAX blickt schüchtern herein.

Base Terzky! Darf ich?


Tritt bis in die Mitte des Zimmers, wo er sich unruhig umsieht.


Sie ist nicht da! Wo ist sie?

GRÄFIN.

Sehen Sie nur recht

In jene Ecke, ob sie hinterm Schirm

Vielleicht versteckt –

MAX.

Da liegen ihre Handschuh!


Will hastig darnach greifen, Gräfin nimmt sie zu sich.


Ungütge Tante! Sie verleugnen mir –

Sie haben Ihre Lust dran, mich zu quälen.

GRÄFIN.

Der Dank für meine Müh!

MAX.

O! fühlten Sie,

Wie mir zumute ist! – Seitdem wir hier sind –[361]

So an mich halten, Wort und Blicke wägen!

Das bin ich nicht gewohnt!

GRÄFIN.

Sie werden sich

An manches noch gewöhnen, schöner Freund!

Auf dieser Probe Ihrer Folgsamkeit

Muß ich durchaus bestehn, nur unter der Bedingung

Kann ich mich überall damit befassen.

MAX.

Wo aber ist sie? Warum kommt sie nicht?

GRÄFIN.

Sie müssens ganz in meine Hände legen.

Wer kann es besser auch mit Ihnen meinen!

Kein Mensch darf wissen, auch Ihr Vater nicht,

Der gar nicht!

MAX.

Damit hats nicht Not. Es ist

Hier kein Gesicht, an das ichs richten möchte,

Was die entzückte Seele mir bewegt.

– O Tante Terzky! Ist denn alles hier

Verändert, oder bin nur ichs? Ich sehe mich

Wie unter fremden Menschen. Keine Spur

Von meinen vorgen Wünschen mehr und Freuden.

Wo ist das alles hin? Ich war doch sonst

In eben dieser Welt nicht unzufrieden.

Wie schal ist alles nun und wie gemein!

Die Kameraden sind mir unerträglich,

Der Vater selbst, ich weiß ihm nichts zu sagen,

Der Dienst, die Waffen sind mir eitler Tand.

So müßt es einem selgen Geiste sein,

Der aus den Wohnungen der ewgen Freude

Zu seinen Kinderspielen und Geschäften,

Zu seinen Neigungen und Brüderschaften,

Zur ganzen armen Menschheit wiederkehrte.

GRÄFIN.

Doch muß ich bitten, einge Blicke noch

Auf diese ganz gemeine Welt zu werfen,

Wo eben jetzt viel Wichtiges geschieht.

MAX.

Es geht hier etwas vor um mich, ich sehs

An ungewöhnlich treibender Bewegung,

Wenns fertig ist, kommts wohl auch bis zu mir.[362]

Wo denken Sie, daß ich gewesen, Tante?

Doch keinen Spott! Mich ängstigte des Lagers

Gewühl, die Flut zudringlicher Bekannten,

Der fade Scherz, das nichtige Gespräch,

Es wurde mir zu eng, ich mußte fort,

Stillschweigen suchen diesem vollen Herzen,

Und eine reine Stelle für mein Glück.

Kein Lächeln, Gräfin! In der Kirche war ich.

Es ist ein Kloster hier, zur Himmelspforte,

Da ging ich hin, da fand ich mich allein.

Ob dem Altar hing eine Mutter Gottes,

Ein schlecht Gemälde wars, doch wars der Freund,

Den ich in diesem Augenblicke suchte.

Wie oft hab ich die Herrliche gesehn

In ihrem Glanz, die Inbrunst der Verehrer –

Es hat mich nicht gerührt, und jetzt auf einmal

Ward mir die Andacht klar, so wie die Liebe.

GRÄFIN.

Genießen Sie Ihr Glück, Vergessen Sie

Die Welt um sich herum. Es soll die Freundschaft

Indessen wachsam für Sie sorgen, handeln.

Nur sein Sie dann auch lenksam, wenn man Ihnen

Den Weg zu Ihrem Glücke zeigen wird.

MAX.

Wo aber bleibt sie denn! – O! goldne Zeit

Der Reise, wo uns jede neue Sonne

Vereinigte, die späte Nacht nur trennte!

Da rann kein Sand und keine Glocke schlug.

Es schien die Zeit dem Überseligen

In ihrem ewgen Laufe still zu stehen.

O! der ist aus dem Himmel schon gefallen,

Der an der Stunden Wechsel denken muß!

Die Uhr schlägt keinem Glücklichen.

GRÄFIN.

Wie lang ist es, daß Sie Ihr Herz entdeckten?

MAX.

Heut früh wagt ich das erste Wort.

GRÄFIN.

Wie? Heute erst in diesen zwanzig Tagen?

MAX.

Auf jenem Jagdschloß war es, zwischen hier

Und Nepomuk, wo Sie uns eingeholt,[363]

Der letzten Station des ganzen Wegs.

In einem Erker standen wir, den Blick

Stumm in das öde Feld hinaus gerichtet,

Und vor uns ritten die Dragoner auf,

Die uns der Herzog zum Geleit gesendet.

Schwer lag auf mir des Scheidens Bangigkeit,

Und zitternd endlich wagt ich dieses Wort:

Dies alles mahnt mich, Fräulein, daß ich heut

Von meinem Glücke scheiden muß. Sie werden

In wenig Stunden einen Vater finden,

Von neuen Freunden sich umgeben sehn,

Ich werde nun ein Fremder für Sie sein,

Verloren in der Menge – »Sprechen Sie

Mit meiner Base Terzky!« fiel sie schnell

Mir ein, die Stimme zitterte, ich sah

Ein glühend Rot die schönen Wangen färben,

Und von der Erde langsam sich erhebend

Trifft mich ihr Auge – ich beherrsche mich

Nicht länger –


Die Prinzessin erscheint an der Türe und bleibt stehen, von der Gräfin, aber nicht von Piccolomini bemerkt.


fasse kühn sie in die Arme,

Mein Mund berührt den ihrigen – da rauscht' es

Im nahen Saal und trennte uns – Sie warens.

Was nun geschehen, wissen Sie.

GRÄFIN nach einer Pause, mit einem verstohlnen Blick auf Thekla.

Und sind Sie so bescheiden, oder haben

So wenig Neugier, daß Sie mich nicht auch

Um mein Geheimnis fragen?

MAX.

Ihr Geheimnis?

GRÄFIN.

Nun ja! Wie ich unmittelbar nach Ihnen

Ins Zimmer trat, wie ich die Nichte fand,

Was sie in diesem ersten Augenblick

Des überraschten Herzens –

MAX lebhaft.

Nun?


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 361-364.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
Lektürehilfen Friedrich Schiller 'Wallenstein'
Wallensteins Lager /Die Piccolomini
Wallensteins Tod.
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht Tübingen 1800
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon