Sechster Auftritt


[443] Octavio Piccolomini. Buttler.


BUTTLER.

Ich bin zu Eurer Ordre, Generalleutnant.

OCTAVIO.

Seid mir als werter Gast und Freund willkommen.

BUTTLER.

Zu große Ehr für mich.

OCTAVIO nachdem beide Platz genommen.

Ihr habt die Neigung nicht erwidert,

Womit ich gestern Euch entgegenkam.

Wohl gar als leere Formel sie verkannt.[443]

Von Herzen ging mir jener Wunsch, es war

Mir Ernst um Euch, denn eine Zeit ist jetzt,

Wo sich die Guten eng verbinden sollten.

BUTTLER.

Die Gleichgesinnten können es allein.

OCTAVIO.

Und alle Guten nenn ich gleichgesinnt.

Dem Menschen bring ich nur die Tat in Rechnung,

Wozu ihn ruhig der Charakter treibt;

Denn blinder Mißverständnisse Gewalt

Drängt oft den Besten aus dem rechten Gleise.

Ihr kamt durch Frauenberg. Hat Euch Graf Gallas

Nichts anvertraut? Sagt mirs, Er ist mein Freund.

BUTTLER.

Er hat verlorne Worte nur gesprochen.

OCTAVIO.

Das hör ich ungern, denn sein Rat war gut.

Und einen gleichen hätt ich Euch zu geben.

BUTTLER.

Spart Euch die Müh – mir die Verlegenheit,

So schlecht die gute Meinung zu verdienen.

OCTAVIO.

Die Zeit ist teuer, laßt uns offen reden.

Ihr wißt, wie hier die Sachen stehn. Der Herzog

Sinnt auf Verrat, ich kann Euch mehr noch sagen,

Er hat ihn schon vollführt; geschlossen ist

Das Bündnis mit dem Feind vor wengen Stunden.

Nach Prag und Eger reiten schon die Boten,

Und morgen will er zu dem Feind uns führen.

Doch er betrügt sich, denn die Klugheit wacht,

Noch treue Freunde leben hier dem Kaiser,

Und mächtig steht ihr unsichtbarer Bund.

Dies Manifest erklärt ihn in die Acht,

Spricht los das Heer von des Gehorsams Pflichten,

Und alle Gutgesinnten ruft es auf,

Sich unter meiner Führung zu versammeln.

Nun wählt, ob Ihr mit uns die gute Sache,

Mit ihm der Bösen böses Los wollt teilen?

BUTTLER steht auf.

Sein Los ist meines.

OCTAVIO.

Ist das Euer letzter

Entschluß?

BUTTLER.

Er ists.[444]

OCTAVIO.

Bedenkt Euch, Oberst Buttler.

Noch habt Ihr Zeit. In meiner treuen Brust

Begraben bleibt das raschgesprochne Wort.

Nehmt es zurück. Wählt eine bessere

Partei. Ihr habt die gute nicht ergriffen.

BUTTLER.

Befehlt Ihr sonst noch etwas, Generalleutnant?

OCTAVIO.

Seht Eure weißen Haare! Nehmts zurück.

BUTTLER.

Lebt wohl!

OCTAVIO.

Was? Diesen guten, tapfern Degen

Wollt Ihr in solchem Streite ziehn? Wollt

In Fluch den Dank verwandeln, den Ihr Euch

Durch vierzigjährge Treu verdient um Östreich?

BUTTLER bitter lachend.

Dank vom Haus Östreich!


Er will gehen.


OCTAVIO läßt ihn bis an die Türe gehen, dann ruft er.

Buttler!

BUTTLER.

Was beliebt?

OCTAVIO.

Wie war es mit dem Grafen?

BUTTLER.

Grafen! Was?

OCTAVIO.

Dem Grafentitel, mein ich.

BUTTLER heftig auffahrend.

Tod und Teufel!

OCTAVIO kalt.

Ihr suchtet darum nach. Man wies Euch ab.

BUTTLER.

Nicht ungestraft sollt Ihr mich höhnen. Zieht!

OCTAVIO.

Steckt ein. Sagt ruhig, wie es damit ging. Ich will

Genugtuung nachher Euch nicht verweigern.

BUTTLER.

Mag alle Welt doch um die Schwachheit wissen,

Die ich mir selber nie verzeihen kann!

– Ja! Generalleutnant, ich besitze Ehrgeiz,

Verachtung hab ich nie ertragen können.

Es tat mir wehe, daß Geburt und Titel

Bei der Armee mehr galten, als Verdienst.

Nicht schlechter wollt ich sein, als meinesgleichen,

So ließ ich mich in unglückselger Stunde

Zu jenem Schritt verleiten – Es war Torheit!

Doch nicht verdient ich, sie so hart zu büßen![445]

– Versagen konnte mans – Warum die Weigerung

Mit dieser kränkenden Verachtung schärfen,

Den alten Mann, den treu bewährten Diener

Mit schwerem Hohn zermalmend niederschlagen,

An seiner Herkunft Schmach so rauh ihn mahnen,

Weil er in schwacher Stunde sich vergaß!

Doch einen Stachel gab Natur dem Wurm,

Den Willkür übermütig spielend tritt –

OCTAVIO.

Ihr müßt verleumdet sein. Vermutet Ihr

Den Feind, der Euch den schlimmen Dienst geleistet?

BUTTLER.

Seis, wer es will! Ein niederträchtger Bube,

Ein Höfling muß es sein, ein Spanier,

Der Junker irgend eines alten Hauses,

Dem ich im Licht mag stehn, ein neidscher Schurke,

Den meine selbstverdiente Würde kränkt.

OCTAVIO.

Sagt! Billigte der Herzog jenen Schritt?

BUTTLER.

Er trieb mich dazu an, verwendete

Sich selbst für mich, mit edler Freundeswärme.

OCTAVIO.

So? Wißt Ihr das gewiß?

BUTTLER.

Ich las den Brief.

OCTAVIO bedeutend.

Ich auch – doch anders lautete sein Inhalt.


Buttler wird betroffen.


Durch Zufall bin ich im Besitz des Briefs,

Kann Euch durch eignen Anblick überführen.


Er gibt ihm den Brief.


BUTTLER.

Ha! was ist das?

OCTAVIO.

Ich fürchte, Oberst Buttler,

Man hat mit Euch ein schändlich Spiel getrieben.

Der Herzog, sagt Ihr, trieb Euch zu dem Schritt? –

In diesem Briefe spricht er mit Verachtung

Von Euch, rät dem Minister, Euren Dünkel,

Wie er ihn nennt, zu züchtigen.


Buttler hat den Brief gelesen, seine Knie zittern, er greift nach einem Stuhl, setzt sich nieder.


Kein Feind verfolgt Euch. Niemand will Euch übel.

Dem Herzog schreibt allein die Kränkung zu,[446]

Die Ihr empfangen; deutlich ist die Absicht.

Losreißen wollt er Euch von Eurem Kaiser –

Von Eurer Rache hofft' er zu erlangen,

Was Eure wohlbewährte Treu ihn nimmer

Erwarten ließ, bei ruhiger. Besinnung.

Zum blinden Werkzeug wollt er Euch, zum Mittel

Verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen.

Er hats erreicht. Zu gut nur glückt' es ihm,

Euch wegzulocken von dem guten Pfade,

Auf dem Ihr vierzig Jahre seid gewandelt.

BUTTLER mit der Stimme bebend.

Kann mir des Kaisers Majestät vergeben?

OCTAVIO.

Sie tut noch mehr. Sie macht die Kränkung gut,

Die unverdient dem Würdigen geschehn.

Aus freiem Trieb bestätigt sie die Schenkung,

Die Euch der Fürst zu bösem Zweck gemacht.

Das Regiment ist Euer, das Ihr führt.

BUTTLER will aufstehen, sinkt zurück. Sein Gemüt arbeitet heftig, er versucht zu reden und vermag es nicht. Endlich nimmt er den Degen vom Gehänge und reicht ihn dem Piccolomini.

OCTAVIO.

Was wollt Ihr? Faßt Euch.

BUTTLER.

Nehmt!

OCTAVIO.

Wozu? Besinnt Euch.

BUTTLER.

Nehmt hin! Nicht wert mehr bin ich dieses Degens.

OCTAVIO.

Empfangt ihn neu zurück aus meiner Hand,

Und führt ihn stets mit Ehre für das Recht.

BUTTLER.

Die Treue brach ich solchem gnädgen Kaiser!

OCTAVIO.

Machts wieder gut. Schnell trennt Euch von dem Herzog.

BUTTLER.

Mich von ihm trennen!

OCTAVIO.

Wie? Bedenkt Ihr Euch?

BUTTLER furchtbar ausbrechend.

Nur von ihm trennen? O! er soll nicht leben!

OCTAVIO.

Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen

Bei Gallas sich und Altringer versammeln.

Viel andre bracht ich noch zu ihrer Pflicht

Zurück, heut Nacht entfliehen sie aus Pilsen.[447]

BUTTLER ist heftig bewegt auf und ab gegangen, und tritt zu Octavio mit entschlossenem Blick.

Graf Piccolomini! Darf Euch der Mann

Von Ehre sprechen, der die Treue brach?

OCTAVIO.

Der darf es, der so ernstlich es bereut.

BUTTLER.

So laßt mich hier, auf Ehrenwort.

OCTAVIO.

Was sinnt Ihr!

BUTTLER.

Mit meinem Regimente laßt mich bleiben.

OCTAVIO.

Ich darf Euch traun. Doch sagt mir, was Ihr brütet?

BUTTLER.

Die Tat wirds lehren. Fragt mich jetzt nicht weiter.

Traut mir! Ihr könnts! Bei Gott! Ihr überlasset

Ihn seinem guten Engel nicht! – Lebt wohl!


Geht ab.


BEDIENTER bringt ein Billet.

Ein Unbekannter brachts und ging gleich wieder.

Des Fürsten Pferde stehen auch schon unten.


Ab.


OCTAVIO liest.

»Macht, daß Ihr fortkommt. Euer treuer Isolan.«

– O! läge diese Stadt erst hinter mir!

So nah dem Hafen sollten wir noch scheitern?

Fort! Fort! Hier ist nicht länger Sicherheit

Für mich. Wo aber bleibt mein Sohn?


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 443-448.
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