Zehnter Auftritt


[514] Thekla. Der schwedische Hauptmann. Fräulein Neubrunn.


HAUPTMANN naht sich ehrerbietig.

Prinzessin – ich – muß um Verzeihung bitten,

Mein unbesonnen rasches Wort – Wie konnt ich –

THEKLA mit edelm Anstand.

Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn,

Ein unglücksvoller Zufall machte Sie

Aus einem Fremdling schnell mir zum Vertrauten.[514]

HAUPTMANN.

Ich fürchte, daß Sie meinen Anblick hassen,

Denn meine Zunge sprach ein traurig Wort.

THEKLA.

Die Schuld ist mein. Ich selbst entriß es Ihnen,

Sie waren nur die Stimme meines Schicksals.

Mein Schrecken unterbrach den angefangnen

Bericht. Ich bitte drum, daß Sie ihn enden.

HAUPTMANN bedenklich.

Prinzessin, es wird Ihren Schmerz erneuern.

THEKLA.

Ich bin darauf gefaßt – Ich will gefaßt sein.

Wie fing das Treffen an? Vollenden Sie.

HAUPTMANN.

Wir standen, keines Überfalls gewärtig,

Bei Neustadt schwach verschanzt in unserm Lager,

Als gegen Abend eine Wolke Staubes

Aufstieg vom Wald her, unser Vortrab fliehend

Ins Lager stürzte, rief: der Feind sei da.

Wir hatten eben nur noch Zeit, uns schnell

Aufs Pferd zu werfen, da durchbrachen schon,

In vollem Rosseslauf dahergesprengt,

Die Pappenheimer den Verhack, schnell war

Der Graben auch, der sich ums Lager zog,

Von diesen stürmschen Scharen überflogen.

Doch unbesonnen hatte sie der Mut

Vorausgeführt den andern, weit dahinten

War noch das Fußvolk, nur die Pappenheimer waren

Dem kühnen Führer kühn gefolgt –


Thekla macht eine Bewegung. Der Hauptmann hält einen Augenblick inne, bis sie ihm einen Wink gibt fortzufahren.


Von vorn und von den Flanken faßten wir

Sie jetzo mit der ganzen Reiterei,

Und drängten sie zurück zum Graben, wo

Das Fußvolk, schnell geordnet, einen Rechen

Von Piken ihnen starr entgegenstreckte.

Nicht vorwärts konnten sie, auch nicht zurück,

Gekeilt in drangvoll fürchterliche Enge.

Da rief der Rheingraf ihrem Führer zu,

In guter Schlacht sich ehrlich zu ergeben,

Doch Oberst Piccolomini –


[515] Thekla schwindelnd, faßt einen Sessel.


ihn machte

Der Helmbusch kenntlich und das lange Haar,

Vom raschen Ritte wars ihm losgegangen –

Zum Graben winkt er, sprengt, der erste, selbst

Sein edles Roß darüber weg, ihm stürzt

Das Regiment nach – doch – schon wars geschehn!

Sein Pferd, von einer Partisan durchstoßen, bäumt

Sich wütend, schleudert weit den Reiter ab,

Und hoch weg über ihn geht die Gewalt

Der Rosse, keinem Zügel mehr gehorchend.


Thekla, welche die letzten Reden mit allen Zeichen wachsender Angst begleitet, verfällt in ein heftiges Zittern, sie will sinken, Fräulein Neubrunn eilt hinzu und empfängt sie in ihren Armen.


NEUBRUNN.

Mein teures Fräulein –

HAUPTMANN gerührt.

Ich entferne mich.

THEKLA.

Es ist vorüber – Bringen Sies zu Ende.

HAUPTMANN.

Da ergriff, als sie den Führer fallen sahn,

Die Truppen grimmig wütende Verzweiflung.

Der eignen Rettung denkt jetzt keiner mehr,

Gleich wilden Tigern fechten sie, es reizt

Ihr starrer Widerstand die Unsrigen,

Und eher nicht erfolgt des Kampfes Ende,

Als bis der letzte Mann gefallen ist.

THEKLA mit zitternder Stimme.

Und wo – wo ist – Sie sagten mir nicht alles.

HAUPTMANN nach einer Pause.

Heut früh bestatteten wir ihn. Ihn trugen

Zwölf Jünglinge der edelsten Geschlechter,

Das ganze Heer begleitete die Bahre.

Ein Lorbeer schmückte seinen Sarg, drauf legte

Der Rheingraf selbst den eignen Siegerdegen.

Auch Tränen fehlten seinem Schicksal nicht,

Denn viele sind bei uns, die seine Großmut

Und seiner Sitten Freundlichkeit erfahren,

Und alle rührte sein Geschick. Gern hätte[516]

Der Rheingraf ihn gerettet, doch er selbst

Vereitelt' es, man sagt, er wollte sterben.

NEUBRUNN gerührt zu Thekla, welche ihr Angesicht verhüllt hat.

Mein teures Fräulein – Fräulein, sehn Sie auf!

O warum mußten Sie darauf bestehn!

THEKLA.

– Wo ist sein Grab?

HAUPTMANN.

In einer Klosterkirche

Bei Neustadt ist er beigesetzt, bis man

Von seinem Vater Nachricht eingezogen.

THEKLA.

Wie heißt das Kloster?

HAUPTMANN.

Sankt Kathrinenstift.

THEKLA.

Ists weit bis dahin?

HAUPTMANN.

Sieben Meilen zählt man.

THEKLA.

Wie geht der Weg?

HAUPTMANN.

Man kommt bei Tirschenreit

Und Falkenberg durch unsre ersten Posten.

THEKLA.

Wer kommandiert sie?

HAUPTMANN.

Oberst Seckendorf.

THEKLA tritt an den Tisch und nimmt aus dem Schmuckkästchen einen Ring.

Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn,

Und mir ein menschlich Herz gezeigt – Empfangen Sie


Indem sie ihm den Ring gibt.


Ein Angedenken dieser Stunde – Gehn Sie.

HAUPTMANN bestürzt.

Prinzessin –


Thekla winkt ihm schweigend zu gehen und verläßt ihn. Hauptmann zaudert und will reden. Fräulein Neubrunn wiederholt den Wink. Er geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 514-517.
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