Neunter Auftritt


[511] Ein Zimmer bei der Herzogin.

Thekla in einem Sessel, bleich, mit geschloßnen Augen. Herzogin und Fräulein von Neubrunn um sie beschäftigt. Wallenstein und die Gräfin im Gespräch.


WALLENSTEIN.

Wie wußte sie es denn so schnell?

GRÄFIN.

Sie scheint

Unglück geahnt zu haben. Das Gerücht

Von einer Schlacht erschreckte sie, worin

Der kaiserliche Oberst sei gefallen.

Ich sah es gleich. Sie flog dem schwedischen

Kurier entgegen und entriß ihm schnell

Durch Fragen das unglückliche Geheimnis.

Zu spät vermißten wir sie, eilten nach,

Ohnmächtig lag sie schon in seinen Armen.

WALLENSTEIN.

So unbereitet mußte dieser Schlag

Sie treffen! Armes Kind! – Wie ists? Erholt sie sich?


Indem er sich zur Herzogin wendet.[511]


HERZOGIN.

Sie schlägt die Augenauf.

GRÄFIN.

Sie lebt!

THEKLA sich umschauend.

Wo bin ich?

WALLENSTEIN tritt zu ihr, sie mit seinen Armen aufrichtend.

Komm zu dir, Thekla. Sei mein starkes Mädchen!

Sieh deiner Mutter liebende Gestalt

Und deines Vaters Arme, die dich halten.

THEKLA richtet sich auf.

Wo ist er? Ist er nicht mehr hier?

HERZOGIN.

Wer, meine Tochter?

THEKLA.

Der dieses Unglückswort aussprach –

HERZOGIN.

O denke nicht daran, mein Kind! Hinweg

Von diesem Bilde wende die Gedanken.

WALLENSTEIN.

Laßt ihren Kummer reden! Laßt sie klagen!

Mischt eure Tränen mit den ihrigen.

Denn einen großen Schmerz hat sie erfahren;

Doch wird sies überstehn, denn meine Thekla

Hat ihres Vaters unbezwungnes Herz.

THEKLA.

Ich bin nicht krank. Ich habe Kraft zu stehn.

Was weint die Mutter? Hab ich sie erschreckt?

Es ist vorüber, ich besinne mich wieder.


Sie ist aufgestanden, und sucht mit den Augen im Zimmer.


Wo ist er? Man verberge mir ihn nicht.

Ich habe Stärke gnug, ich will ihn hören.

HERZOGIN.

Nein, Thekla! Dieser Unglücksbote soll

Nie wieder unter deine Augen treten.

THEKLA.

Mein Vater –

WALLENSTEIN.

Liebes Kind!

THEKLA.

Ich bin nicht schwach,

Ich werde mich auch bald noch mehr erholen.

Gewähren Sie mir eine Bitte.

WALLENSTEIN.

Sprich!

THEKLA.

Erlauben Sie, daß dieser fremde Mann

Gerufen werde! daß ich ihn allein

Vernehme und befrage.

HERZOGIN.

Nimmermehr![512]

GRÄFIN.

Nein! Das ist nicht zu raten! Gibs nicht zu!

WALLENSTEIN.

Warum willst du ihn sprechen, meine Tochter?

THEKLA.

Ich bin gefaßter, wenn ich alles weiß.

Ich will nicht hintergangen sein. Die Mutter

Will mich nur schonen. Ich will nicht geschont sein.

Das Schrecklichste ist ja gesagt, ich kann

Nichts Schrecklichers mehr hören.

GRÄFIN UND HERZOGIN zu Wallenstein.

Tu es nicht!

THEKLA.

Ich wurde überrascht von meinem Schrecken,

Mein Herz verriet mich bei dem fremden Mann,

Er war ein Zeuge meiner Schwachheit, ja,

Ich sank in seine Arme – das beschämt mich.

Herstellen muß ich mich in seiner Achtung,

Und sprechen muß ich ihn, notwendig, daß

Der fremde Mann nicht ungleich von mir denke.

WALLENSTEIN.

Ich finde, sie hat recht – und bin geneigt,

Ihr diese Bitte zu gewähren. Ruft ihn.


Fräulein Neubrunn geht hinaus.


HERZOGIN.

Ich, deine Mutter, aber will dabei sein.

THEKLA.

Am liebsten spräch ich ihn allein. Ich werde

Alsdann um so gefaßter mich betragen.

WALLENSTEIN zur Herzogin.

Laß es geschehn. Laß sies mit ihm allein

Ausmachen. Es gibt Schmerzen, wo der Mensch

Sich selbst nur helfen kann, ein starkes Herz

Will sich auf seine Stärke nur verlassen.

In ihrer, nicht an fremder Brust muß sie

Kraft schöpfen, diesen Schlag zu überstehn.

Es ist mein starkes Mädchen, nicht als Weib,

Als Heldin will ich sie behandelt sehn.


Er will gehen.


GRÄFIN hält ihn.

Wo gehst du hin? Ich hörte Terzky sagen,

Du denkest morgen früh von hier zu gehn,

Uns aber hierzulassen.

WALLENSTEIN.

Ja, ihr bleibt

Dem Schutze wackrer Männer übergeben.

GRÄFIN.

O nimm uns mit dir, Bruder! Laß uns nicht[513]

In dieser düstern Einsamkeit dem Ausgang

Mit sorgendem Gemüt entgegenharren.

Das gegenwärtge Unglück trägt sich leicht,

Doch grauenvoll vergrößert es der Zweifel

Und der Erwartung Qual dem weit Entfernten.

WALLENSTEIN.

Wer spricht von Unglück? Beßre deine Rede.

Ich hab ganz andre Hoffnungen.

GRÄFIN.

So nimm uns mit. O laß uns nicht zurück

In diesem Ort der traurigen Bedeutung,

Denn schwer ist mir das Herz in diesen Mauren,

Und wie ein Totenkeller haucht michs an,

Ich kann nicht sagen, wie der Ort mir widert.

O führ uns weg! Komm, Schwester, bitt ihn auch,

Daß er uns fortnimmt! Hilf mir, liebe Nichte.

WALLENSTEIN.

Des Ortes böse Zeichen will ich ändern,

Er seis, der mir mein Teuerstes bewahrte.

NEUBRUNN kommt zurück.

Der schwedsche Herr!

WALLENSTEIN.

Laßt sie mit ihm allein.


Ab.


HERZOGIN zu Thekla.

Sieh, wie du dich entfärbtest! Kind, du kannst ihn

Unmöglich sprechen. Folge deiner Mutter.

THEKLA.

Die Neubrunn mag denn in der Nähe bleiben.


Herzogin und Gräfin gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 511-514.
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