[535] Vorige. Seni.
WALLENSTEIN.
Kommt da nicht Seni? Und wie außer sich!
Was führt dich noch so spät hieher, Baptist?
SENI.
Furcht deinetwegen, Hoheit.[535]
WALLENSTEIN.
Sag, was gibts?
SENI.
Flieh, Hoheit, eh der Tag anbricht. Vertraue dich
Den Schwedischen nicht an.
WALLENSTEIN.
Was fällt dir ein?
SENI mit steigendem Ton.
Vertrau dich diesen Schweden nicht.
WALLENSTEIN.
Was ists denn?
SENI.
Erwarte nicht die Ankunft dieser Schweden!
Von falschen Freunden droht dir nahes Unheil,
Die Zeichen stehen grausenhaft, nah, nahe
Umgeben dich die Netze des Verderbens.
WALLENSTEIN.
Du träumst, Baptist, die Furcht betöret dich.
SENI.
O glaube nicht, daß leere Furcht mich täusche.
Komm, lies es selbst in dem Planetenstand,
Daß Unglück dir von falschen Freunden droht.
WALLENSTEIN.
Von falschen Freunden stammt mein ganzes Unglück,
Die Weisung hätte früher kommen sollen,
Jetzt brauch ich keine Sterne mehr dazu.
SENI.
O komm und sieh! Glaub deinen eignen Augen.
Ein greulich Zeichen steht im Haus des Lebens,
Ein naher Feind, ein Unhold lauert hinter
Den Strahlen deines Sterns – O laß dich warnen!
Nicht diesen Heiden überliefre dich,
Die Krieg mit unsrer heilgen Kirche führen.
WALLENSTEIN lächelnd.
Schallt das Orakel daher? – Ja! Ja! Nun
Besinn ich mich – Dies schwedsche Bündnis hat
Dir nie gefallen wollen – Leg dich schlafen,
Baptista! Solche Zeichen fürcht ich nicht.
GORDON der durch diese Reden heftig erschüttert worden, wendet sich zu Wallenstein.
Mein fürstlicher Gebieter! Darf ich reden?
Oft kommt ein nützlich Wort aus schlechtem Munde.
WALLENSTEIN.
Sprich frei!
GORDON.
Mein Fürst! Wenns doch kein leeres Furchtbild wäre,
Wenn Gottes Vorsehung sich dieses Mundes
Zu Ihrer Rettung wunderbar bediente![536]
WALLENSTEIN.
Ihr sprecht im Fieber, einer wie der andre.
Wie kann mir Unglück kommen von den Schweden?
Sie suchten meinen Bund, er ist ihr Vorteil.
GORDON.
Wenn dennoch eben dieser Schweden Ankunft –
Gerade die es wär, die das Verderben
Beflügelte auf Ihr so sichres Haupt
Vor ihm niederstürzend.
O noch ists Zeit, mein Fürst –
SENI kniet nieder.
O hör ihn! hör ihn!
WALLENSTEIN.
Zeit, und wozu? Steht auf – Ich wills, steht auf.
GORDON steht auf.
Der Rheingraf ist noch fern. Gebieten Sie,
Und diese Festung soll sich ihm verschließen.
Will er uns dann belagern, er versuchs.
Doch sag ich dies: Verderben wird er eher
Mit seinem ganzen Volk vor diesen Wällen,
Als unsres Mutes Tapferkeit ermüden.
Erfahren soll er, was ein Heldenhaufe
Vermag, beseelt von einem Heldenführer,
Dems Ernst ist, seinen Fehler gutzumachen.
Das wird den Kaiser rühren und versöhnen,
Denn gern zur Milde wendet sich sein Herz,
Und Friedland, der bereuend wiederkehrt,
Wird höherstehn in seines Kaisers Gnade,
Als je der Niegefallne hat gestanden.
WALLENSTEIN betrachtet ihn mit Befremdung und Erstaunen, und schweigt eine Zeitlang, eine starke innre Bewegung zeigend.
Gordon – des Eifers Wärme führt Euch weit,
Es darf der Jugendfreund sich was erlauben.
– Blut ist geflossen, Gordon. Nimmer kann
Der Kaiser mir vergeben. Könnt ers, ich,
Ich könnte nimmer mir vergeben lassen.
Hätt ich vorhergewußt, was nun geschehn,
Daß es den liebsten Freund mir würde kosten,
Und hätte mir das Herz wie jetzt gesprochen –
Kann sein, ich hätte mich bedacht – kann sein
Auch nicht – Doch was nun schonen noch? Zu ernsthaft[537]
Hats angefangen, um in nichts zu enden.
Hab es denn seinen Lauf!
Indem er ans Fenster tritt.
Sieh, es ist Nacht geworden, auf dem Schloß
Ists auch schon stille – Leuchte, Kämmerling.
Kammerdiener, der unterdessen still eingetreten, und mit sichtbarem Anteil in der Ferne gestanden, tritt hervor, heftig bewegt, und stürzt sich zu des Herzogs Füßen.
Du auch noch? Doch ich weiß es ja, warum
Du meinen Frieden wünschest mit dem Kaiser.
Der arme Mensch! Er hat im Kärntnerland
Ein kleines Gut und sorgt, sie nehmens ihm,
Weil er bei mir ist. Bin ich denn so arm,
Daß ich den Dienern nicht ersetzen kann?
Nun! Ich will niemand zwingen. Wenn du meinst,
Daß mich das Glück geflohen, so verlaß mich.
Heut magst du mich zum letztenmal entkleiden,
Und dann zu deinem Kaiser übergehn –
Gut Nacht, Gordon!
Ich denke einen langen Schlaf zu tun,
Denn dieser letzten Tage Qual war groß,
Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.
Er geht ab. Kammerdiener leuchtet. Seni folgt. Gordon bleibt in der Dunkelheit stehen, dem Herzog mit den Augen folgend, bis er in dem äußersten Gang verschwunden ist; dann drückt er durch
Gebärden seinen Schmerz aus, und lehnt sich gramvoll an eine Säule.
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
|
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro