Vierter Auftritt


[533] Wallenstein. Gordon. Dann der Kammerdiener.


WALLENSTEIN.

Ists ruhig in der Stadt?

GORDON.

Die Stadt ist ruhig.

WALLENSTEIN.

Ich höre rauschende Musik, das Schloß ist

Von Lichtern hell. Wer sind die Fröhlichen?

GORDON.

Dem Grafen Terzky und dem Feldmarschall

Wird ein Bankett gegeben auf dem Schloß.

WALLENSTEIN vor sich.

Es ist des Sieges wegen – Dies Geschlecht

Kann sich nicht anders freuen, als bei Tisch.


Klingelt. Kammerdiener tritt ein.


Entkleide mich, ich will mich schlafenlegen.


Er nimmt die Schlüssel zu sich.


So sind wir denn vor jedem Feind bewahrt,

Und mit den sichern Freunden eingeschlossen,

Denn alles müßt mich trügen, oder ein

Gesicht wie dies


Auf Gordon schauend.


ist keines Heuchlers Larve.


Kammerdiener hat ihm den Mantel, Ringkragen und die Feldbinde abgenommen.


Gib acht! Was fällt da?

KAMMERDIENER.

Die goldne Kette ist entzweigesprungen.

WALLENSTEIN.

Nun, sie hat lang genug gehalten. Gib.


Indem er die Kette betrachtet.


Das war des Kaisers erste Gunst. Er hing sie

Als Erzherzog mir um, im Krieg von Friaul,

Und aus Gewohnheit trug ich sie bis heut,

– Aus Aberglauben, wenn Ihr wollt. Sie sollte

Ein Talisman mir sein, solang ich sie

An meinem Halse glaubig würde tragen,

Das flüchtge Glück, des erste Gunst sie war,[533]

Mir auf zeitlebens binden – Nun es sei!

Mir muß fortan ein neues Glück beginnen,

Denn dieses Bannes Kraft ist aus.


Kammerdiener entfernt sich mit den Kleidern. Wallenstein steht auf, macht einen Gang durch den Saal und bleibt zuletzt nachdenkend vor Gordon stehen.


Wie doch die alte Zeit mir näherkommt.

Ich seh mich wieder an dem Hof zu Burgau,

Wo wir zusammen Edelknaben waren.

Wir hatten öfters Streit, du meintests gut,

Und pflegtest gern den Sittenprediger

Zu machen, schaltest mich, daß ich nach hohen Dingen

Unmäßig strebte, kühnen Träumen glaubend,

Und priesest mir den goldnen Mittelweg.

– Ei, deine Weisheit hat sich schlecht bewährt,

Sie hat dich früh zum abgelebten Manne

Gemacht, und würde dich, wenn ich mit meinen

Großmütgern Sternen nicht dazwischenträte,

Im schlechten Winkel still verlöschen lassen.

GORDON.

Mein Fürst! Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer

Den kleinen Nachen an im sichern Port,

Sieht er im Sturm das große Meerschiff stranden.

WALLENSTEIN.

So bist du schon im Hafen, alter Mann?

Ich nicht. Es treibt der ungeschwächte Mut

Noch frisch und herrlich auf der Lebenswoge,

Die Hoffnung nenn ich meine Göttin noch,

Ein Jüngling ist der Geist, und seh ich mich

Dir gegenüber, ja, so möcht ich rühmend sagen,

Daß über meinem braunen Scheitelhaar

Die schnellen Jahre machtlos hingegangen.


Er geht mit großen Schritten durchs Zimmer, und bleibt auf der entgegengesetzten Seite, Gordon gegenüber, stehen.


Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu,

Hob aus der Menschen Reihen mich heraus

Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich

Mit kraftvoll leichten Götterarmen tragend.[534]

Nichts ist gemein in meines Schicksals Wegen,

Noch in den Furchen meiner Hand. Wer möchte

Mein Leben mir nach Menschenweise deuten?

Zwar jetzo schien ich tief herabgestürzt,

Doch werd ich wieder steigen, hohe Flut

Wird bald auf diese Ebbe schwellend folgen –

GORDON.

Und doch erinnr ich an den alten Spruch:

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.

Nicht Hoffnung möcht ich schöpfen aus dem langen Glück,

Dem Unglück ist die Hoffnung zugesendet.

Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben,

Denn ewig wanket des Geschickes Waage.

WALLENSTEIN lächelnd.

Den alten Gordon hör ich wieder sprechen.

– Wohl weiß ich, daß die irdschen Dinge wechseln,

Die bösen Götter fodern ihren Zoll,

Das wußten schon die alten Heidenvölker,

Drum wählten sie sich selbst freiwillges Unheil,

Die eifersüchtge Gottheit zu versöhnen,

Und Menschenopfer bluteten dem Typhon.


Nach einer Pause, ernst und stiller.


Auch ich hab ihm geopfert – Denn mir fiel

Der liebste Freund, und fiel durch meine Schuld.

So kann mich keines Glückes Gunst mehr freuen,

Als dieser Schlag mich hat geschmerzt – Der Neid

Des Schicksals ist gesättigt, es nimmt Leben

Für Leben an, und abgeleitet ist

Auf das geliebte reine Haupt der Blitz,

Der mich zerschmetternd sollte niederschlagen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 533-535.
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